Bei der Prüfung der Sicherheit von Kreisverkehrsplätzen sollten die zuständigen Behörden in Baden-Württemberg nach den Worten von Verkehrsminister Winfried Hermann künftig stärker mit Augenmaß vorgehen.
„Aus Sicht der Verkehrssicherheit ist eine hindernisfreie Kreismittelinsel zwar grundsätzlich die beste Lösung. Allerdings gibt es keine festen Regelungen, wonach bestehende Hindernisse immer zu entfernen sind. Bei der Wahl des Mittels zur Verbesserung der Verkehrssicherheit muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden“, erklärte Minister Hermann in Stuttgart. Zuvor hatte er dem Landeskabinett einen Bericht zum aktuellen Stand der Debatte über starre Hindernisse in Kreisverkehren und die Verkehrssicherheit gegeben.
Zugleich kündigte der Minister an, dass die Behörden erläuternde Hinweise zur Anwendung des Erlasses vom 15. November 2011 erhalten werden. In dem Erlass hatte das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur die Regierungspräsidien darauf hingewiesen, dass bei der Planung und dem Bau neuer Kreisverkehrsplätze an Bundes- und Landesstraßen bei Kreisverkehren auf der freien Strecke auf der Mittelinsel grundsätzlich keine starren Hindernisse einzubauen sind und im Übergangsbereich von der freien Strecke zur Ortsdurchfahrt im Einzelfall zu prüfen ist, ob die künstlerische oder bauliche Gestaltung mit Hindernissen unter Verkehrssicherheitsaspekten möglich ist. Innerhalb der Ortsdurchfahrten blieb danach eine Gestaltung der Kreismittelinsel auch in künstlerischer Hinsicht unter Beachtung der Planungsgrundsätze und der Belange der Verkehrssicherheit möglich. Die Regierungspräsidien sowie die unteren Verwaltungsbehörden waren außerdem gebeten worden, für die Kreisverkehrsplätze auf Bundes- und Landesstraßen mit einem hohen und mittleren Risiko Sicherheitsaudits gemäß der Empfehlungen für das Sicherheitsaudit an Straßen (ESAS, Ausgabe 2002) durchzuführen und darauf hinzuwirken, dass die Anforderungen der Verkehrssicherheit erfüllt werden. Die Risikoeinstufung ergab sich aus einer ersten Bewertung, die bereits im Jahr 2010 – also noch unter der Vorgängerregierung – durchgeführt wurde.
Für vergleichbar betroffene Kreisverkehrsplätze, die in der alleinigen Straßenbaulast der Stadt- und Landkreise liegen, wurde den unteren Verwaltungsbehörden empfohlen, in gleicher Weise vorzugehen. Konkrete Vorgaben, auf welche Weise die Anforderungen der Verkehrssicherheit zu erfüllen sind, macht der Erlass jedoch nicht.
Stand der Überprüfungen
In Baden-Württemberg wurden bislang 515 Kreisverkehrsplätzen an Bundes- und Landesstraßen in Außerortslage überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass 197 mit Bäumen, Findlingen sowie anderen starren Hindernissen und 96 mit künstlerischen Gestaltungselementen ausgestattet sind. Von ihnen wurden 317 mit einem geringen oder ohne Risiko und 198 Kreisverkehrsplätze mit hohem bzw. mittlerem Risiko eingestuft. Bei den anschließenden Sicherheitsaudits ergab sich bei deutlich mehr als 100 Kreisverkehrsplätzen ein Handlungsbedarf. In mehr als 35 Fällen wurden bereits Hindernisse aus den Mittelinseln entfernt.
In den allermeisten Fällen erfolgte der „Kreisel-TÜV“ in Baden-Württemberg durch Sonderverkehrsschauen der Verkehrsschaukommissionen, die sich aus einem Vertreter der zuständigen örtlichen Straßenverkehrsbehörde, des Straßenbaulastträgers und der Polizei zusammensetzen. In Einzelfällen wurde von den unteren Verwaltungsbehörden ein externer Gutachter hinzugezogen.
Ergänzende Hinweise zum Erlass vom 15. November 2011
Kommt der „Kreisel-TÜV“ zu der Bewertung, dass von der Gestaltung eines Kreisverkehrsplatzes eine Gefahr ausgeht, besteht Handlungsbedarf. Aus Sicht der Verkehrssicherheit ist eine hindernisfreie Kreisinsel („regelkonforme Ausbildung“) grundsätzlich die beste Lösung. Allerdings geben die dargestellten rechtlichen Grundlagen keine festen Regelungen zur Entfernung bestehender Hindernisse vor.
Vor der Hintergrund der heftigen Diskussionen um die Entfernung von Kunstwerken und Bäumen in bestehenden Kreisverkehrsplätzen hat das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur zur Konkretisierung des Erlasses vom 15.11. 2011 “Ergänzende Hinweise“ erarbeitet, die den zuständigen Behörden die Entscheidung für eine geeignete und angemessene Maßnahme im Einzelfall erleichtern sollen.
Klargestellt wird darin:
- dass sich der genannte Erlass nicht auf innerörtliche Kreisverkehrsplätze bezieht, sondern auf solche, die sich auf der freien Strecke oder im Übergangsbereich von der freien Strecke zur Ortsdurchfahrt befinden. Im Übergangsbereich bleibt auch bei Neubauten im Einzelfall eine künstlerische oder bauliche Gestaltung möglich.
- Dass insbesondere bei bestehenden Kreisverkehrsplätzen gegebenenfalls neben der Verkehrssicherheit noch andere schützenswerte Belange in eine sorgfältige Abwägung einzubeziehen sind. Das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur weist darauf hin, dass bei der Wahl des Mittels zur Verbesserung der Verkehrssicherheit der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden muss. Das setzt insbesondere eine auf den Einzelfall bezogene Prüfung voraus, ob es neben der Beseitigung eines starren Hindernisses auf der Mittelinsel (Kunstwerk, Baum, Findling etc.) auch andere Möglichkeiten gibt, verkehrssichere Verhältnisse herzustellen.
- dass bei der Beurteilung des Gefahrenpotentials auch die Erkennbarkeit der Hindernisse und des Kreisverkehrs sowie das Gefährdungspotenzial der Hindernisse, z.B. ihre Anordnung in Bezug auf die Knotenpunktzufahrten, und ihre Art (z.B. Verformbarkeit) eine Rolle spielen und gegebenenfalls Unfallhäufungen und Unfallauffälligkeiten zu berücksichtigen sind.
Mögliche Alternativen zur Entfernung von Hindernissen
Zur Verbesserung der Verkehrssicherheit kommen alternativ zur Entfernung eines starren Hindernisses beispielsweise folgende Maßnahmen in Betracht:
- Anböschungen/Aufschüttung
- Verwendung von Anpralldämpfern
- Geschwindigkeitstrichter, ggf. in Kombination mit fester Geschwindigkeitsüberwachung
- Zusätzliche StVO-Gefahrstellenbeschilderung (Überholverbot, Gefahrstelle, Gefährlicher Knotenpunkt)
- passive Beleuchtung des Kreisverkehrsplatzes (Reflektoren)
- zusätzliche Fahrbahnmarkierung („Vorfahrt beachten“)
- Rüttelstreifen in den Zufahrtsästen
- Sollbruchstellen am Kunstobjekt
- Umbau des Knotenpunktes, insbesondere der Zufahrten.
Im Hinblick auf die Entfernung von Bäumen sind überdies die naturschutzrechtlichen Regelungen zu beachten. Im Sonderfall von um bereits vorhandene Bäume angelegten Kreisverkehrsplätzen, bei denen Handlungsbedarf festgestellt wird, soll insbesondere geprüft werden, ob die Verkehrssicherheit durch Anpralldämpfer in Verbindung mit entsprechend wirksamen Schutzeinrichtungen verbessert werden kann.
Ob und ggf. welche Maßnahmen als Alternative zur Entfernung von Hindernissen zum Tragen kommen können, müssen die jeweils zuständigen unteren Verwaltungsbehörden in eigener Verantwortung anhand der Besonderheiten jedes einzelnen Falls entscheiden. Auch Ergebnisse von Sicherheitsaudits sind verfahrensrechtlich nicht verbindlich, sondern fließen als fachlicher Beitrag der Verkehrssicherheit in die Gesamtabwägung ein. Im Hinblick auf die dargestellten haftungsrechtlichen Fragen wird eine Dokumentation der Entscheidungsfindung und der vorgenommenen Abwägung empfohlen.