Die grün-rote Landesregierung hat die Förderung von kommunalen Verkehrsvorhaben neu gestaltet, damit in den Jahren bis 2019 noch möglichst viele Kommunen und Projekten von Fördermitteln profitieren können. Damit reagiert sie auf die verfahrene Situation, dass sie von der früheren Regierung ein nahezu ausgebuchtes Förderprogramme übernommen hatte und schon ein erheblicher Teil der Mittel bis zum Programmablauf 2019 vergeben ist.
Wie funktioniert die Förderung der kommunalen Verkehrsprojekte?
Das Land gewährt Zuwendungen zum Bau oder Ausbau kommunaler Straßen, für ÖPNV-Projekte und seit 2012 auch für Radverkehrsanlagen. Grundlage sind Mittel des Bundes nach dem Entflechtungsgesetz zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden. Auf Baden-Württemberg entfallen 165 Mio. Euro pro Jahr. Die Länder entscheiden selbstständig, in welche Projekte das Geld investiert wird. Baden-Württemberg stellt die Mittel ohne Abzug über das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (LGVFG) für Verkehrsprojekte zur Verfügung. Die Föderalismuskommission II auf Bundesebene hat beschlossen, dass die Mittel aus dem GVFG und Entflechtungsgesetz bis Ende 2019 auslaufen sollen.
Was sind die Probleme beim LGFVG, denen sich die Landesregierung stellen muss?
Das Land steht vor drei Herausforderungen.
Erstens: Das Auslaufen der Fördermittel vom Bund im Jahr 2019 als Folge der Förderalismusreform. Die Nachfolge des Förderprogramms ist bis heute ungeklärt.
Zweitens: Gerade bei der Finanzierung von ÖPNV- und Radverkehrsprojekten haben wir in Baden-Württemberg noch einen riesigen Nachholbedarf.
Und Drittens: Die hohe Programmbelegung durch die Vorgängerregierung, die nur noch geringe Spielräume für neue Projekte lässt, macht dabei besondere Probleme.
Was ist mit der hohen Programmbelegung gemeint?
Durch die Unklarheit der Folgefinanzierung nach 2019 leidet die Förderung nach dem LGVFG seit vielen Jahren unter einer zu hohen Vorbelastung der verfügbaren Finanzmittel durch eine große Anzahl und Menge an Mittelbewilligungen. Die hohe Mittelbindung und fehlende Finanzierungssicherheit hatte der Landesrechnungshof bereits in der Denkschrift 2010 beklagt. Ende 2011 waren allein im Programmteil zur Förderung des kommunalen Straßenbaus 894 Maßnahmen und eine Vorbelastung kommender Jahre durch rechtlich gebundene Mittelverpflichtungen von ca. 440 Mio. Euro enthalten, also das Mittelvolumen mehrerer Förderjahre. Bis zum Jahr 2013 konnte diese Bewilligungsbugwelle durch einen weitgehenden Bewilligungsstopp in den Jahren 2012 und 2013 um 180 Mio. Euro auf ca. 260 Mio. Euro abgebaut werden.
Wie viele Mittel stehen dann noch bis 2019 noch zur Verfügung?
Pro Jahr stellt der Bund für Baden-Württemberg 165 Mio. Euro zur Verfügung, mit denen das Land Projekte fördern kann. Das sind bis 2019 insgesamt rund 1 Milliarde Euro. Diese verteilen sich nach dem neuen Förderschlüssel auf die Förderbereiche wie folgt: Kommunaler Straßenbau 400 Mio. Euro, ÖPNV 510 Mio. Euro, Radverkehr 90 Mio. Euro. Nach Abzug der bereits bewilligten Vorhaben bleiben aber nur noch rund 140 Mio. Euro für neue Projekte im Straßenbau, rund 230 Mio. Euro für neue ÖPNV-Projekte und rund 50 Mio. Euro für den Radverkehr.
Wie reagiert die Landesregierung auf diese Situation? Warum werden die Fördersätze gesenkt? Das höhlt doch die Förderung weiter aus!
Um den beschriebenen erheblichen Problemen zumindest für die ab 2014 zu bewilligenden Projekte zu begegnen, hat die Landesregierung zwischenzeitlich mit der zum 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Änderung der Verwaltungsvorschrift zu Durchführung des LGVFG für den Kommunalen Straßenbau (VwV LGVFG-KStB) reagiert. Künftig müssen die Vorhaben innerhalb einer festgelegten Frist abgerechnet werden. Zur Verfahrensbeschleunigung und -vereinfachung wurden z.B. eine Festbetragsfinanzierung eingeführt und Nachbewilligungen ausgeschlossen. Das bringt Planungssicherheit in den Förderprogrammen. Zum anderen ist es erforderlich, das geringe restliche Fördervolumen in den nächsten Jahren auf die wichtigsten kommunalen Projekte zu konzentrieren.
Es gibt in allen drei Förderbereichen viel mehr Förderwünsche als verfügbare Fördermittel. Damit das Land noch einen angemessen Anteil der Anträge berücksichtigen kann, müssen die Mittel besser verteilt werden: statt wenige hoch geförderte Projekte mit 70-75 Prozent Fördersatz, werden nun mehr Projekte mit einem Fördersatz von 50 Prozent bezuschusst werden. Sonst kämen zu viele Antragsteller überhaupt nicht mehr zum Zug. Die insgesamt bereitgestellten Mittel bleiben gleich und werden nicht gekürzt. Und: Alle bis 2013 bewilligten Projekte werden zum damals gültigen Fördersatz gefördert.
Kommen dann nicht noch weniger Projekte zustande, weil die Kommunen ihren Anteil nicht stemmen können?
Das MVI ist überzeugt, auf diese Weise deutlich mehr Projekte anschieben zu können. Der Finanzierungsengpass bei Neubewilligungen liegt im Moment eindeutig beim verfügbaren Fördermittelvolumen des Landes, nicht bei den kommunalen Antragstellern, weil es den Städten und Gemeinden derzeit finanziell vergleichsweise gut geht. Das zeigt das Beispiel der Radverkehrsförderung: Hier ist das Land von Beginn an mit einem Fördersatz von nur 50 Prozent gestartet. Dennoch liegen mehr Anträge vor als entsprechende Mittel zur Verfügung stehen.
Das hört sich nach Mangelverwaltung an …
Das ist nicht zu bestreiten. Seit 1996 sind die vom Bund bereit gestellten Mittel für die GVFG-Projekte in der Höhe eingefroren. Angesichts der Kostensteigerung werden sie bei Auslaufen des Programms im Jahr 2019 real nur noch halb so viel wert sein. Dies ist ein Teil der generellen Misere der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung, die auf Bundesebene dringend politisch zu lösen ist. Hier ist Verkehrsminister Hermann als Mitglied verschiedener Kommissionen sehr aktiv. Sein Ziel ist die Herstellung einer dauerhaften und verlässlichen Finanzierung durch den Bund. Unabhängig davon ist die Landesregierung gefordert, das Beste aus der jetzigen Situation zu machen. Dem hat sich die Landesregierung gestellt.
Die Landesregierung hat die Fördermittel umgeschichtet, zukünftig fließen 60 Prozent der Mittel in ÖPNV und Radverkehr, nur noch 40 Prozent in den kommunalen Straßenbau. Zuvor war das Verhältnis umgekehrt.
Ist der Engpass bei den Fördermitteln für den Straßenbau nicht durch diese Umschichtung verursacht?
Der Straßenbau war jahrzehntelang gut bedient. Großen Nachholbedarf gibt es beim ÖPNV und beim Radverkehr. Daher hat die Landesregierung auf Basis des Auftrags aus der Koalitionsvereinbarung diese Mittelumschichtung vorgenommen. Ohne dieses Umsteuern könnten bis 2019 nur noch 110 Mio. für neue ÖPNV-Projekte bewilligt werden. Wichtige Projekte wie der Ausbau der Schönbuchbahn oder die Reaktivierung der Bahnstrecke zwischen Calw und Weil der Stadt wären dann undenkbar. Am allergrößten ist der Nachholbedarf bei der kommunalen Radverkehrsinfrastruktur. Solche Projekte wurden ja in den vergangenen Jahrzehnten gar nicht gefördert. Das ist nun geändert. Nur durch die Umschichtung kann eine nachhaltige Verkehrspolitik vorangebracht werden.
Welche Mittel sind 2013 in den kommunalen Straßenbau geflossen? Wie bemisst sich das?
Die vier Regierungspräsidien als zuständige Verwaltungsbehörden fragen jedes Jahr bei den Kommunen ab, welche bereits bewilligten Projekte im kommenden Haushaltsjahr voraussichtlich Mittelbedarf haben oder abgerechnet werden können und planen entsprechend die Fördermittel ein. 2013 summierten sich diese Anforderungen auf 74 Mio. Euro. Das waren sechs Millionen Euro weniger, als das Land für dieses Haushaltsjahr zur Verfügung gestellt hat. Kurzfristig hat das Land daher noch kleinere Projekte bewilligen können, insbesondere Maßnahmen zur Beseitigung von Sicherheitsdefiziten an Bahnübergängen. Die Kommunen haben im Jahr 2013 allerdings nicht den kompletten angemeldeten Mittelbedarf tatsächlich abrufen können. Hinzu kamen Mittelrückflüsse aus der Projektabrechnung von Altfällen, die das Land inzwischen mit Nachdruck verfolgt. Etwa 35 Mio. Euro wurden auf das Folgejahr übertragen.
Ist es denn ein Problem, wenn Fördermittel in einem bestimmten Jahr nicht abfließen?
Das ist ein rein fördertechnischer Effekt, der in der Sache völlig unproblematisch ist. Wie schon gesagt: Bis 2011 wurden extrem hohe Beträge der Fördermittel bis 2019 vorab bewilligt. Sie sind damit gebunden und können nicht noch einmal vergeben werden. Es wurde dabei aber nicht festgelegt, wann genau die Gelder durch die Kommunen abgerufen sein müssen. Der Mittelabfluss ist durch die zuständigen Regierungspräsidien also kaum steuerbar, sondern weitgehend abhängig durch das Voranschreiten von Bau und Abrechnung von Seiten der Projektträger. Ein exemplarisches Beispiel ist das vor einigen Jahren bewilligte Großprojekt Rosensteintunnel in Stuttgart. Er bindet insgesamt 110 Mio. Euro. Im Jahr 2013 waren dafür für das Programm 12 Mio. Euro reserviert, abfließen konnten sie jedoch nicht. Die Mittel verfallen aber nicht. Sie sind zweckgebunden und werden übertragen auf die Folgejahre. Dort sind sie nötig, um die Projekte dann auf Abruf der Kommunen abzufinanzieren. An fehlenden Projektbewilligungen durch die Landesbehörden liegt ein schleppender Abfluss jedenfalls nicht!