Regierung im Verkehrsbereich ohne Plan

Autor: admin  |  Kategorie: Verkehr

Energiekonzept der Bundesregierung scheitert an der „Herausforderung Mobilität“

Das so überschriebene Kurzkapitel im Energiekonzept der Bundesregierung vom 28. September 2010 hat die wirklichen Herausforderungen an Mobilität in Zeiten endlicher Ressourcen, des Klimawandels und leerer öffentlicher Kassen nicht einmal gestreift. So fehlt eine Analyse der Entwicklung von Nutzerkosten (etwa dem Ölpreis) oder die Antwort der Bundesregierung auf diese Entwicklung. Die wenigen für den Verkehrsbereich skizzierten Maßnahmen sind zumeist Ankündigungen, Aufforderungen oder Prüfaufträge. Die Bundesregierung nennt explizit keine Sektorziele zur CO2-Reduktion für den Verkehrsbereich. Kernbereiche nachhaltiger Mobilität wie Stärkung und Ausbau von ÖPNV, Rad- und Fußverkehr werden noch nicht einmal erwähnt. Eher bemüht wurden hier ein paar Maßnahmen zusammengeschrieben, die wenigen hoffnungsvollen Ansätze im Entwurf – etwa eine stärkere Spreizung der CO2-basierten Kfz-Steuer – wurden wieder gestrichen. Es ist kein strategisches Konzept, das politisches Handeln bis zum Jahr 2050 im Blick hat.

Schlechter noch als Meseberg

Gleichwohl stellt die Regierungskoalition in ihrem Energiekonzept fest, dass Bauen und Verkehr für 70 Prozent des Endenergieverbrauchs und 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sind. Das Energiekonzept bleibt die Instrumente dann aber schuldig, mit denen das Ziel der Emissionsminderung (Reduktion von 40 Prozent der Treibhausgase bis 2020 gegenüber 1990) erreicht werden soll. Damit fällt die Koalition sogar noch hinter das Meseberg-Programm zurück. Die in 2007 getroffenen Beschlüsse zum Verkehr im Integrierten Energie- und Klimakonzept (IEKP) der alten Bundesregierung (Meseberg-Beschlüsse) wurden verwässert, gar nicht oder nur unvollständig umgesetzt. Dabei hätten laut Berechnungen des Umweltbundesamtes die IEKP-Maßnahmen im Verkehr bei konsequenter Umsetzung zwischen 2005 und 2020 insgesamt eine CO2-Minderungswirkung von 22,7 Millionen Tonnen erbracht, allein 10,5 Millionen Tonnen im Pkw-Bereich durch ambitionierte CO2-Flottengrenzwerte und bessere Verbrauchskennzeichnung bei den Fahrzeugen. Das Ziel wird heute deutlich verfehlt. Im Koalitionsvertrag steht: „Wir werden die Maßnahmen im Integrierten Energie- und Klimaprogramm 2010 auf ihre Wirksamkeit überprüfen und ggf. nachsteuern.“ Wenn das Nachsteuerung ist, kann nur ein Zurück-in-die-Vergangenheit das Ziel sein.

Energiekonzept – Kein Text aus einem Guss

Es mangelt deutlich an Kohärenz in dem Gesamtpapier: So scheinen die in der Einleitung zum Energiekonzept formulierten Meta-Ziele der Bundesregierung irgendwie an den Verkehrspolitikern der Koalition vorbeigegangen zu sein. Konkret lautet die Formulierung im Text: „Im Verkehrsbereich soll der Endenergieverbrauch bis 2020 um rund 10 % und bis 2050 um rund 40 % gegenüber 2005 zurückgehen“ (S. 5). Bei einem Verbrauch von rund 2.600 Petajoule im Verkehrsbereich im Jahr 2005 bedeutet das Ziel für das Jahr 2020, nur noch so viel Endenergie im Verkehr einzusetzen wie im Jahr 1990. Das Ziel, den Endenergieverbrauch bis 2050 um 40 Prozent zu reduzieren, bedeutet, dass wir in 40 Jahren gerade mal so viel Energie im Verkehr verbrauchen dürfen, wie es 1978 in den alten Bundesländern der Fall war! Mit den Zielen zur Senkung des Endenergieverbrauchs des Verkehrs bis 2020 und bis 2050 wird erstmals ein Mindestziel für die Senkung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor festgelegt. Denn der Endenergieverbrauch im Verkehr speist sich fast ausschließlich aus fossilen Energien. Eine Senkung des Endenergieverbrauchs führt daher in nahezu gleichem Umfang zu einer Senkung der CO2-Emissionen.

Die Bedeutung des Ziels der Senkung des Endenergieverbrauchs hat das Bundesverkehrsministerium offensichtlich nicht erkannt. Denn für den Lkw-Verkehr betont das Energieszenario, das die Bundesregierung sich als Begründung für das Energiekonzept hat anfertigen lassen, es wird kaum Einsparungen an Kraftstoffen geben. Das heißt, eine Verdopplung des Güterverkehrs bei 80-prozentiger Senkung des Energieverbrauchs pro Tonnenkilometer kann nur mit einer massiven Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene funktionieren. Dafür fehlen aber klare Ziele.

Verkehrsministerium tüftelt noch an hauseigener Strategie

Bundesverkehrsminister Ramsauer war nach dem Regierungswechsel sehr stolz darauf, eine eigene Unterabteilung für „Klimaschutz und Verkehr“ eingerichtet zu haben. Jedoch hat die es nicht geschafft, ein sektorspezifisches Energie- und Klimakonzept (Verkehr, Gebäude und Wohnen) rechtzeitig vor der Verabschiedung des regierungsamtlichen Energiekonzepts zu produzieren. Ursprünglich war nach einer Revision der IEKP-Meseberg-Maßnahmen im Verkehr die Festlegung eines Sektorziels für Ende 2010 anvisiert. Die Revision hätte durchaus Sinn gemacht und zweifelsfrei ergeben, dass mit den verwässerten (CO2-Grenzwert Pkw) und gestrichenen (Ausdehnung der Lkw-Maut) oder fehlenden Maßnahmen (Tempolimit) im Verkehr die Reduktion der Emissionen deutlich zu gering ausfällt. Zahlreiche Studien, auch aus anderen Ressorts, haben das inzwischen belegt. Aber das zuständige Ministerium braucht eben noch, das Konzept ist jetzt für 2011 angekündigt, aber da sind die Messen im Wesentlichen schon gesungen.

Maßnahmen für den Verkehr im Grünen Energiekonzept „Energie 2050: sicher erneuerbar“

Wir meinen, dass wir rasch Strategien und Maßnahmen entwickeln müssen, mit denen der Endenergieverbrauch des Verkehrs – auch bei steigender Verkehrsleistung und unabhängig vom bereitgestellten Energiemix – und damit die Emissionen in den nächsten Jahren deutlich sinken. Dieses Ziel lässt sich nicht nur durch den Ersatz von fossilen Kraftstoffen durch Biokraftstoffe und ein bisschen Elektromobilitätsforschung erreichen, wie die Bundesregierung uns glauben machen will. Neben der Verbesserung der Fahrzeugeffizienz müssen weitere Maßnahmen stehen:

  • Verkehrsmeidung durch entsprechende Stadt- und Verkehrsplanung,
  • der Umstieg auf klimafreundliche Verkehrsmittel,
  • die effiziente Verwendung von Energie für Mobilitätszwecke und
  • der Ersatz fossiler durch erneuerbare Energien.

Klimafreundliche Mobilität ist auf eine funktionsfähige Infrastruktur angewiesen, die intelligent vernetzt wird und so nachhaltige Verkehrsströme moderiert. Dafür muss etwa die umweltfreundliche Schiene als auch der ÖPNV insgesamt massiv ausgebaut werden.


Kleine Anfrage
der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter, Dr. Valerie Wilms, Bettina Herlitzius, Stephan Kühn, Ingrid Nestle, Daniela Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Energiekonzept der Bundesregierung – Verkehrssektor
Der Anteil des Verkehrs am Energiebedarf der Bundesrepublik Deutschland beträgt gut 30 Prozent. Der Verkehr ist zudem mit rund 20 Prozent an den Treibhausgasemissionen beteiligt. Für die Reduzierung des Energiebedarfs und eine Verringerung der Treibhausgasemissionen des Verkehrs braucht es plausible und transparente Annahmen über die zukünftige Entwicklung wichtiger Kernindikatoren, Ziele und Maßnahmen, mit denen diese Ziele erreicht werden können. Diese sollten sich im Energiekonzept der Bundesregierung wiederfinden.

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Antwort
der Bundesregierung vom 20.10.2010

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