Winfried Hermann MdB zum Organstreitverfahren in puncto Stuttgart 21
Autor: admin | Kategorie: Pressemitteilungen, Stuttgart 2122.3.2011
Anlass des Organstreitverfahrens von Abgeordneten der grünen Bundestagsfraktion ist die jahrelange Verweigerung der Bundesregierung dem Bundestag substantielle Auskünfte über die Deutsche Bahn AG (DB AG) zu erteilen. Zahlreiche Daten und Informationen der DB AG werden als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis eingestuft und in der Regel wird den Abgeordneten daher die Auskunft verweigert bzw. die Einsichtnahme in maßgebliche Dokumente nicht gewährt. Dies ist aus unserer Sicht verfassungsrechtlich nicht tragbar, da die parlamentarischen Rechte der Bundestagsabgeordneten auf begründete und substantiierte Beantwortung unverhältnismäßig eingeschränkt werden.
Am Beispiel des milliardenschweren Großprojektes Stuttgart 21 wird dies signifikant deutlich. Obwohl das Projekt S21 und die damit verbundene Planung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm enorme Kostensteigerungsrisiken für den Bund und sein bundeseigenes Unternehmen die DB AG beinhalten und sich im Verlauf der langjährigen Planung die Kosten bereits verdoppelt haben, erhält der Bundestag keinerlei Nachweis über die Wirtschaftlichkeit der Projekte.[1] Selbst die Kriterien einer vom Bund beauftragten Wirtschaftlichkeitsprüfung für Stuttgart 21 werden als Geschäftsgeheimnis der DB AG behandelt. Eine Einsichtnahme des Bundestages in die Wirtschaftlichkeitsberechnung des Projektes lehnen Bundesregierung und DB AG mit Verweis auf das Aktienrecht seit Jahren ab. Den Parlamentariern wurden lediglich zusammenfassende Charts der Ergebnisse einer vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung beauftragten Wirtschaftlichkeitsprüfung durch das Wirtschaftsprüfungsunternehmen Susat & Partner aus dem Jahr 2007 vorgelegt, die inzwischen längst veraltet sind. Dabei stellte die von den Wirtschaftlichkeitsprüfern zu Grunde gelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung der DB AG lediglich eine Grobschätzung dar, die nicht so detailscharf war, dass die Baukosten für später auszuschreibende Gewerke dadurch beeinflusst würden und dadurch wirtschaftlicher Schaden für die DB AG entstehen könnte.
Problematischer Weise kommt hinzu, dass selbst die Bundesregierung nach Auskunft des Parlamentarischen Staatssekretärs Achim Großmann in der 16. Legislaturperiode keine eigenständige Prüfung vorgenommen hat, sondern sich ganz auf die im Übrigen vor allem im Auftrag der DB AG tätige Firma Susat & Partner verlassen hat.
Angesichts der gewaltigen Kosten- und Finanzierungsrisiken für das bundeseigene Unternehmen DB AG und den Bund ist die parlamentarische Kontrolle umso wichtiger. Das Haushaltsrecht des Bundestages darf nicht mit fragwürdigen Begründungen ausgehebelt werden.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist von allergrößter Bedeutung für die Frage- und Informationsrechte des Bundestages und der Abgeordneten. Sollten wir Grünen Recht bekommen, müssten die Zahlen, Bücher und Verträge zu Stuttgart 21 endlich offengelegt werden. Diese Kostentransparenz wäre mit Sicherheit ein Beitrag zum Aus für das Projekt.
[1] Finanzierungsanteile des Projektes Stuttgart 21: Deutsche Bahn AG: 1.469 Millionen Euro, Bund: 1.229,4 Millionen Euro, Land Baden-Württemberg und Partner: 1389,5 Millionen Euro