Schwäbisches Tagblatt: Kolumne vom 25.06.2010
Autor: admin | Kategorie: Schwäbisches Tagblatt, Wahlkreis Tübingen8 – 12 – 28 Jahre?
Hinter und vor den Kulissen wird derzeit über die Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke gestritten. Der Bundesumweltminister ist für acht Jahre, andere in der Koalition für 12, wieder andere für 20 Jahre und der neue CDU-Ministerpräsident Mappus würde am liebsten die Laufzeiten auf ewig verlängern. Dabei schien alles so einfach. Die Koalition wollte doch nur die Laufzeiten verlängern. Es ist wie in vielen andern Politikfeldern. Alle streiten durcheinander. Nichts ist geklärt, die Folgen nicht durchdacht. Schwarzgelb ist selbst in den wenigen Bereichen, wo man überhaupt Ziele hat, widersprüchlich und konzeptionslos.
Obwohl schon heute völlig unklar ist, wo man den 1 Mio Jahre strahlenden Atommüll (das ist länger als die Menschwerdungsgeschichte bisher) sicher lagern kann, tut man so, als wäre das alles kein Problem. Dabei ist das Versuchslager Asse (ein Salzstock wie Gorleben) schon nach zwanzig Jahre so „abgesoffen“, dass es mit Milliardenaufwand saniert oder geräumt werden muss.
Auf eine Anfrage der Grünen hat die Bundesregierung die Atommüll-Mengen offen legen müssen: Schon heute müssen mehr als 6 000 Tonnen hochradioaktiver Brennelemente „zwischengelagert“ werden. Würde der Ausstieg wie gesetzlich geplant vollzogen, kämen weitere 4 800 Tonnen dazu. Bei einer Verlängerung um acht Jahre kämen rund 3000 Tonnen, bei 12 Jahren 7 400 und bei 28 Jahren (wie Mapus und Co. fordern) wären es gar weit über 10 000 Tonnen. Die Zwischenlager bei den Kraftwerken könnten das alles gar nicht aufnehmen.
Die Verlängerung bedeutet vor allem auch viele Milliarden Mehreinnahmen für die vier großen Atomstromkonzerne. Die Landesbank Baden-Württemberg hat für potentielle Anleger für die drei deutschen Konzerne (RWE, E.on,EnBw) ausgerechnet, welche Mehreinnahmen bei welchen Laufzeitverlängerung von welchen Konzernen zu erzielen sind. Die Summen (ohne Vattenfall) sind gewaltig: zehn Jahre bringen rund 80 Milliarden, 25 Jahre rund 200 Milliarden. Das sind die wahren Motive der Verlängerung. Dass CDU und FDP den Stromriesen diese Extrarenditen verschaffen wollen, zum Schaden der kleineren kommunalen Versorger, zur Verhinderung von Wettbewerb und Innovation im Stromsektor, zum Schaden von Mensch und Umwelt, ist entlarvend. Schon heute blockieren die Atomkraftwerke und die großen Kohlekraftwerke mit ihren zu großen Strommengen die Entwicklung der regenerativen dezentralen Energieversorgung. Wer jetzt auf Laufzeitverlängerung setzt, der setzt nicht nur auf eine alte, tödlich riskante Stromtechnologie, er verhindert aktiv den Ausbau der Erneuerbaren mit dem fadenscheinigen Argument, sie würden ja nicht ausreichen für die Versorgung. Wir Grünen wollen deshalb nicht nur die Laufzeiten der Atommeiler verkürzen, sondern auch die von Schwarzgelb.
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