PM: Stuttgart 21 und NBS Wendlingen – Ulm 10 Mrd. Euro plus x – einfach unverantwortbar!

Autor: admin  |  Kategorie: Bahn, Presse, Stuttgart 21

Zur Vorstellung des Gutachtens zur Prognose der wahrscheinlichen Projektkosten der Bahn-Neubaustrecke Wendlingen – Ulm durch Vieregg & Rössler erklärt Winfried Hermann, Vorsitzender des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:

Stuttgart 21 und die Neubaustrecke (NBS) Wendlingen – Ulm drohen ein Fass ohne Boden zu werden. Als das Gesamtprojekt 2008 beschlossen wurde, lag dem Deutschen Bundestag eine Kostenprognose über insgesamt rund 5 Mrd. Euro vor (3,076 Mrd. Euro für Stuttgart 21 und 2,025 Mrd. Euro für die NBS). Offizieller Preisstand heute sind 7 Mrd. Euro (4,088 Mrd. Euro für Stuttgart 21 und 2,89 Mrd. Euro für die NBS). Nimmt man den Risikopuffer für Stuttgart 21 hinzu sind es 7,4 Mrd. Euro.

Das Gutachten weist detailliert anhand von Erfahrungen und Erkenntnissen aus anderen Projekten nach, dass die NBS wegen des hohen Tunnelanteils von über 50 Prozent und der extrem schwierigen Gesteinsformationen erheblich teurer wird als prognostiziert. Selbst zum Preistand heute würde das Projekt mit 4,55 Mrd. Euro schon rund 1,65 Mrd. Euro teurer als bisher geplant. Nimmt man die erwartbaren Baukostensteigerungen der eher unwahrscheinlichen Bauzeit von 10 Jahren liegt der Preis bei 5,3 Mrd. Euro. Dieser Betrag stellt dabei eine Untergrenze dar und ist nach Ansicht der Gutachter durch die bisher von der Deutschen Bahn AG gewählte Tunnelausbruchsmethode nicht zu halten. Die Kosten könnten demnach sogar noch weiter explodieren.

Mit dem Gutachten ist klar: Das Gesamtprojekt wird mindestens rund 10 Mrd. Euro und damit fast das Doppelte von dem kosten, was politisch beschlossen wurde. Die Entscheidungen sind also in Unkenntnis der wahren Kosten getroffen worden.

Da der Bund sich vertraglich verpflichtet hat, die Baukostensteigerungen bei der NBS Wendlingen – Ulm vollständig zu tragen, müsste er neben den bereits eingestandenen 865 Mio. Euro Baukostensteigerung mindestens noch weitere 2,4 Mrd. Euro tragen. Das ist angesichts knapper Mittel und des dringend notwendigen Ausbaus des Schienengüterverkehrs (Hafenhinterlandverkehre) ökonomischer und ökologischer Unsinn.

Das Nutzen-Kosten-Verhältnis liegt schon bei den prognostizierten Baukosten von 2,89 Mrd. Euro nur haarscharf über der Wirtschaftlichkeitsgrenze von 1,0. Mit dem Gutachten von Vieregg & Rössler, das Prognosen eines Gutachtens im Auftrag des Umweltbundesamtes bestätigt, ist nun klar, dass das Nutzen-Kosten-Verhältnis weit unter 1 sinken wird und die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist.

Der Deutsche Bundestag als Haushaltsgeber hat die Pflicht sich nach der Bundeshaushaltsordnung zu richten. Diese sieht in § 6 vor: „1) Bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. . (2) Für alle finanzwirksamen Maßnahmen sind angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen.“ Eine weitere Erhöhung der Finanzmittel für die Neubaustrecke wäre eine Veruntreuung von Steuergeldern. Daher muss Verkehrsminister Ramsauer jetzt die Reißleine ziehen und die Neubaustrecke und damit auch Stuttgart 21 stoppen, das technisch an die Neubaustrecke gekoppelt ist. Hier gilt, lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.

Als Alternative schlagen wir vor, dass eine schrittweise Sanierung des bestehenden Bahnhofs erfolgt und auf der Altstrecke Neigetechnik-ICE zum Einsatz kommen, mit denen die Fahrzeit deutlich gesenkt werden kann. Dann muss eine Betrachtung des gesamten deutschen Teilstücks der TEN- Magistrale Paris – Bratislava erfolgen und eine Ausbauplanung erfolgen, die dort beginnt, wo die Zuwächse am höchsten ausfallen werden. Das wird im östlichen Abschnitt zwischen München – Mühldorf – Freilassing durch den Wahlkreis des Verkehrsministers sein. Für den Ausbau dieses Teilstücks sind 2,8 Mrd. Euro notwendig, bisher sind aber gerade einmal 50 Mio. Euro bis 2020 vorgesehen.

Das Land Baden-Württemberg sollte die 2 Mrd. Euro, die es für Stuttgart 21 und die Neubaustrecke ausgeben will, für wichtige Projekte im ganzen Bundesland bereitstellen. So sollten aus diesem Topf die 400 Mio. Euro Mehrkosten für den Güterverkehrstunnel in Offenburg bezahlt werden, außerdem der Ausbau der Gäubahn von Stuttgart nach Singen und die Strecke zwischen Ulm und Friedrichshafen (Südbahn).

Zeit für alternative und bessere Planungen ist genug. Denn mit den schon eingestandenen und jetzt von Vieregg und Rössler zusätzlich prognostizierten Baukostensteigerungen ist klar, dass das Projekt deutlich nach dem Jahr 2030 fertig gestellt würde. Zum Vergleich: Der viergleisige Ausbau Rheintalbahn zwischen Karlsruhe und Basel erfolgt seit 1987 und soll 2020 in Betrieb gehen. Selbst diese Bauzeit von 33 Jahren wird aber nicht ausreichen, wenn an Stuttgart 21 und Wendlingen – Ulm festgehalten wird. Denn für die Fertigstellung dieser insbesondere für den Güterverkehr bedeutsamen Strecke sind mindestens 4 Mrd. Euro, mit einem vorsorgenden Lärmschutz und den erwartbaren Baukostensteigerungen eher 5 – 6 Mrd. Euro notwendig. Eingeplant sind bis 2020 bisher aber gerade einmal 117,5 Mio. Euro. Werden die Mittel nicht umgeschichtet, wird die Rheintalbahn auch im Jahr 2040 noch nicht fertig ausgebaut sein. Der wachsende Güterverkehr wird sich dann auf Lkw im Dauerstau bis zur Schweizer Grenze quälen, um erst dort auf die Schiene umgeladen zu werden.


„Prognose der wahrscheinlichen Projektkosten der Neubaustrecke Wendlingen – Ulm und Vorschläge zur Verbesserung des Personen und Güterverkehrs im Korridor Stuttgart-Augsburg“

Im Auftrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag und Fraktion Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg

Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung im Überblick

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