mit einer Besuchergruppe in Berlin auf Einladung von Winne Hermann
von Linda Pfister, Stefanie Rager, Sophie Neubauer, Janina Antonowitsch und Ayla Haid
Vom 4. bis 7 Oktober 2010 konnten die 16 SchülerInnen der 13. Klasse zusammen mit Geschichtslehrer Holger Grebe und Klassenbetreuer Johannes Preschl sowie weiteren Bürgern aus Bodelshausen, Tübingen und Stuttgart an einer Studienfahrt nach Berlin teilnehmen – hervorragend organisiert vom Büro des Bundestagsabgeordneten Winfried Hermann (Die Grünen), dessen Mitarbeiterin Jenny van Heeswijk uns begleitete. Die folgenden Schülerberichte geben ein lebendiges Bild der Hauptstadt und des politischen Lebens.
Große Stadt, Hauptstadt. 3,5 Millionen Einwohner aus der ganzen Welt, davon einige die statt “ich“ icke” sagen und darauf bestehen, die Currywurst erfunden zu haben. Eine ehemals geteilte Stadt, in der sich die Geschichte Deutschlands wieder spiegelt, in welcher der Sitz unserer Regierung ist, die jahrelang die größte Baustelle der Welt war und nun für einige Tage die laute, bunte und niemals schlafende Heimat einer 13. Waldorfklasse aus dem behüteten “Schwabenländle” werden würde. Grund dafür war die Einladung des MdB Winfried Hermann von den Grünen, welcher es uns ermöglichte gemeinsam mit einer Gruppe des KBF Bodelshausen einen direkten Einblick in das demokratische sowie bürokratische politische Geschehen der Bundesregierung zu gewinnen. (Linda Pfister)
Erster Programmpunkt war der Besuch im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Hier sollte uns ein Infogespräch erwarten, welches jedoch durch eine rege Diskussion zum Thema Zivildienst abgelöst wurde. Unser Referent erzählte noch, dass in Berlin ca. 250 Mitarbeiter, in Bonn ca. 350 Mitarbeiter für dieses Ministerium, welches von Familienministerin Dr. Kristina Schröder geleitet wird, arbeiteten. Das Ministerium lässt sich in die Abteilungen Kinder und Jugend, Gleichstellung, Familie, Ältere Menschen, Engagementpolitik und Zivildienst unterteilen.
Spätestens bei der näheren Erklärung der Abteilung Zivildienst schmiss unser Referent seine Powerpoint über Bord. Für die behinderten Teilnehmer unserer Reisegruppe ist die Abschaffung des Zivildienstes eine untragbare Sache, da es für sie noch weniger Hilfspersonal bedeutet. Sie verlangten einen tragbaren Plan für die Zukunft; Alternativen als Ersatz für den Zivildienst. Nicht viele junge Menschen entschließen sich, soziale Tätigkeiten in behinderten Einrichtungen zu machen. Bevorzug sind Einrichtungen mit Kindern und alten Menschen. Ein Problem woraus sich die Frage ergab, wie man die Stellen in behinderten Einrichtungen attraktiver gestalten könne. Es war eine spannende Diskussion, die sich ergab, zumal es ein Thema war, welches uns Schüler wie auch die Behinderten betraf.
Zur Mittagszeit besuchten wir die Fürst-Donnersmarck-Stiftung in Zehlendorf. Eine 100 Jahre alte Stiftung, die nach dem Ersten Weltkrieg für die Heilung und Forschung von neuartigen Kriegsverletzungen gegründet wurde. Heute setzt sie sich vor allem für körperbehinderte Menschen ein, damit diese Selbstständiger und Uneingeschränkter leben können.
Nach dem Essen und den Gesprächen in der Stiftung stiegen wir alle freudig in den Bus, denn nun sollte eine Stadtrundfahrt, orientiert an politischen Kuriositäten, folgen.
So fuhren wir an manche „lauschige Plätzchen“ vorbei oder durchquerten das Botschaften-Viertel, in dem sich der „Spätzlesbunker“ findet, wie unser Reiseführer Sven liebevoll die Baden-Württembergische Landesvertretung nannte, die in ihrer Größe den Botschaften nicht nachsteht. Über den Spreewald, nach Kreuzberg, ins Regierungsviertel, über das Holocaust Denkmal und die „sinkenden Titanic“ (wie Sven den CDU Parteisitz nannte, aufgrund seiner schiffartigen Form) kamen wir zur „Waschmaschine“ (wie der Reichstag mit der Glaskuppel tituliert wird), umgeben vom Kanzleramt und dem Paul-Löbe und Elisabeth-Lüders Haus. Diese Stationen sollen als Beispiel dienen für die vielen Stellen, die wir mit unserem kecken Reiseführer entdeckt haben.
Doch das Highlight unserer politischen Reise sollte uns am Tag drauf erwarten.
Nach dem Essen machten wir uns auf den Weg zum Paul-Löbe- Haus, indem wir, nach einer eingehenden Personenkontrolle, ein Gespräch mit Winfried Hermann hatten, der nach einer aktuellen Stunde zum Thema Stuttgart 21, doch noch Zeit für uns fand. Als Vorsitzender des Verkehrsausschusses hat er im Moment alle Hände voll zu tun, informierte uns jedoch ausführlich über seine Arbeitsbereich und über die momentane Lage und Möglichkeiten in Sachen Stuttgart21.
Doch nun zum Highlight der Reise: Die eindrucksvolle Glaskuppel im Reichstag, 1 Rednerpult, 3 Meter hohe Türen, 622 Sitze, 6000 Büros und Sitzungssäle und viele Tunnelverbindungen zwischen den einzelnen Gebäuden – das Regierungsviertel mit dem Bundestag. Wir saßen auf der Besuchertribüne über den Abgeordnetenplätzen und lauschten lautlos der Einführung: höchstes Gebäude, in der Kaiserzeit erbaut mit Steinen aus allen Regionen, damals größer als heute, 1933 der Reichstagsbrand, nach 1945 als Krankenhaus genutzt, durch die russische Besatzungsmacht besetzt, nach der Wiedervereinigung und dem Umzug der Regierung von Bonn nach Berlin umgebaut. Anschließend besuchten wir die Glaskuppel und genossen einen wunderbaren Blick über das nächtliche Berlin. Das Ende unserer politischen Reise bildete das Abendessen zusammen mit Winfried Hermann. Danach nutzen manche mehr, manche weniger zum letzten Mal das bequeme Hotelbett in Berlin.
Insgesamt war die Reise aufschlussreich, spannend, interessant und beeindruckend – oder anders gesagt: einfach „lauschig“. Mit dem ICE gab es am vierten Tag unserer Reise nur noch einen Weg, der, zurück in unsere von Natur umgebenen, leeren und leisen Provinzstädtchen oder in manchen Fällen Provinzdörfchen (Stefanie Rager)
Während der Stadtrundfahrt machten wir Pause am Holocaust-Denkmal. Dieses besteht aus dunkelgrauen Quadern, die ganz symmetrisch angeordnet sind und zur Mitte hin immer höher werden. Der Boden geht leicht schüsselförmig gewellt bergab. Läuft man zwischen den Quadern durch, so stellt sich ein starkes Gefühl der Beklemmung ein. Einigen wurde es schlecht und sie mussten das Denkmal schnell wieder verlassen. Ein sehr beeindruckendes und tief greifendes Erlebnis. (Sophie Neubauer)
Insgesamt war diese Bildungsfahrt sehr lehrreich. Für mich hat es den riesigen Apparat „Staat“ und „Regierung“ sehr viel verständlicher, transparenter und menschlicher gemacht.
(Janina Antonowitsch)
Insgesamt eine wirklich schöne Exkursion, die natürlich Lust auf mehr macht. Politisches Interesse weckt Berlin wohl immer. Eine wunderbare Idee für alle Politikverdrossenen oder noch nicht Interessierten, sich durch Berlin inspirieren zu lassen. (Ayla Haid)