Im Gespräch mit dem Studierendenparlament spricht sich Winfried Hermann für Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur aus, macht aber keine Hoffnung auf Abschaffung der Parkgebühren
Stuttgart, 18. Oktober 2022 – Sonnig war es an diesem herbstlichen Dienstag zur Mittagszeit in Hohenheim. Die Motoren brummen, Autofahrer hupen, es geht kaum voran. Parksuchverkehr beherrscht die Fruwirthstraße. Das Schloss Hohenheim zur linken Hand, die Straße brechend voll mit Autos, zu beiden Seiten gesäumt mit übervollen Parkplätzen.
Mit diesen Eindrücken ging Winfried Hermann, seines Zeichens Verkehrsminister des Landes und Landtagsabgeordneter im Stuttgarter Filderwahlkreis, zum Gespräch mit fünf Vertretern des Studierendenparlaments der Uni Hohenheim.
Grund für den Rundgang und die Diskussion ist die Mobilitätssituation vor Ort, vor allem die Parkraumbewirtschaftung durch das Land. Die Studenten der Uni Hohenheim fühlen sich durch die Parkgebühren des Landes übermäßig belastet, vor allem in der aktuellen Lage mit explodierenden Mieten und Energiekosten. Viele könnten sich das Ticket nur schwerlich leisten und wären darauf angewiesen mit dem Auto anzureisen.
Gleichzeitig empfanden es die Studenten als unsozial, dass sämtliche Universitätsmitarbeiter – egal ob Professor oder Hausmeister – die gleichen Gebühren zahlen müssten, wie die Studenten. „Ungerecht“ sei dies, so der Tenor. Aktuell zahlten Universitätsangehörige 2€/Tag bzw. 25€/Monat. Insgesamt würden die Gebühren den Parksuchverkehr lediglich mehr nach Birkach verlagern, wo die Anwohner schon vermehrt ein Anwohnerparken fordern.
Grundsätzlich herrschte Konsens zwischen Hermann und den Studenten, dass die Lage der Uni am Stuttgarter Stadtrand nicht vergleichbar sei mit anderen Hochschulen und Universitäten im Land. Aber, so Hermann, auch hier habe jeder der Universitätsangehörigen die gesamtgesellschaftliche Aufgabe anzuerkennen, dass jeder seinen Teil zur Verkehrswende beitragen müsse. Die Entwicklungen im Bereich der individuellen Mobilität, nämlich etwa einer halben Million mehr Pkws (vorrangig Verbrenner) in Baden-Württemberg seit der Unterzeichnung des Pariser Klimaschutzabkommens 2015 sprächen nicht dafür, dass sich jeder seiner individuellen Verantwortung bewusst sei.
MdL Hermann verwies darauf, dass sein erster Eindruck von der Situation vor Ort deutlich anders als geschildert war: Massiver Parksuchverkehr direkt an der Uni, viele Autos seien nicht klein und nicht älter und in weniger als jedem 10. Auto saß mehr als eine Person. Die Annehmlichkeiten mit dem Pkw zur Uni zu fahren könne er verstehen. Aber für die Gesellschaft und das Klima sei das die ungünstigste Art der Mobilität. Auch, dass der größte Anteil der parkenden Pkws ein Stuttgarter Kennzeichen habe, gab er zu bedenken. Dies beides spräche nicht für die grundsätzliche Argumentation, dass das Parken zu teuer sei und die Studenten mit Auto anreisen müssten. Wenige Straßenzüge vom Schloss Hohenheim entfernt, vor den neuen Wohnheimen in der Egilolfstraße, war sichtbar, dass nicht alle bewirtschafteten Parkplätze voll besetzt waren. Hier zeigte sich der Ausweichverkehr ins Birkacher Wohngebiet. Bezugnehmend auf die Anmerkungen zum Anwohnerparken gab Hermann zu bedenken, dass das Anwohnerparken in Stuttgart in jedem Stadtbezirk kommen werde.
Natürlich, so Hermann, sei die Parkraumbewirtschaftung nur ein Baustein von vielen, um die Menschen zum Umstieg auf andere Verkehrsmittel zu bewegen. Es sei auch nicht da um Menschen zu ärgern. Aber es sei ein Instrument um bewusst zu machen, dass öffentlicher Raum nicht exklusiv und kostenfrei für Autos zur Verfügung stünde. Gleichzeitig verwies er darauf, dass eine Verlängerung der Stadtbahn vor etlichen Jahren seitens der Uni als nicht zielführend betrachtet worden sei. Auch die neuen Radstellplätze zur Verbesserung der Radinfrastruktur habe man der Uni in den letzten Jahren quasi hinterhergetragen.
Hermann zeigte sich offen für Verbesserungen der Verkehrsinfrastruktur. Gleichzeitig gesucht sind andere Formen der Entlastung und er machte verschiedene Vorschläge, die den Studierenden der Uni entgegenkommen könnten. So brachte Hermann ins Spiel, ob man sich bereits mit der SBB oder der Stadt in Verbindung gesetzt habe, um über eine dichtere Taktung der Buslinie zu sprechen. Auch entwarf der Wahlkreisabgeordnete Hermann die Idee, dass man Park & Ride Konzepte z.B. auf den Parkplätzen der Messe in Betracht ziehen solle, um für die Auswertigen von dort Shuttle-Verkehr zur Uni fahren zu lassen. Expressbuslinien zwischen den wichtigsten Mittelzentren, in denen die Studenten der Uni wohnten, und der Uni könne er sich ebenfalls vorstellen. Darüber hinaus regte er an, dass die Studenten grundsätzlich mehr Fahrgemeinschaften bilden sollten, wie vielerorts üblich. In diesem Zuge sprach Winfried Hermann davon, dass es bisher an keiner Uni im Land eine Mitfahrer-App gebe. Er könne sich diese für die Uni Hohenheim gut vorstellen. Zu guter Letzt gäbe es für viele Studentinnen und Studenten aus Stuttgart auch die Möglichkeit mit dem Rad oder Pedelec anzureisen.
Unabhängig der Alternativen, die in dem Gespräch thematisiert wurden, machten die Vertreter des Studierendenparlamentes deutlich, dass sie sich eine andere Herangehensweise gewünscht hätten. Es hätte erst einen Ausbau der Alternativen geben müssen, bevor man die Parkraumbewirtschaftung seitens des Landes umgesetzt hat.
Für die angesprochenen Entlastungen und Infrastrukturverbesserungen könne er sich gerne einsetzen, kündigte Hermann an. Gleichzeitig stellte er aber auch klar, dass die Studenten mit dem Abschaffen der Parkgebühren nicht rechnen können. Zum Abschluss drückte Winfried Hermann für das weitere Vorgehen seinen Wunsch aus, dass die Studenten mithilfe der Uni eine verlässliche Datengrundlage schaffen müssten. So müsse man wissen wie viele Studentinnen und Studenten von wo und wie anreisen und welche Anreize es außer dem Wegfall der Parkgebühren benötige. So könne man systematisch und lösungsorientiert daran arbeiten, welche Maßnahmen die Verkehrsinfrastruktur für die Studenten der Uni sinnvoll und nachhaltig verbessern. In diesem Atemzug kündigte Hermann an, auch mit der Wissenschaftsministerin das Gespräch zu suchen, um zeitnah an Lösungen für die Mobilitätsprobleme arbeiten zu können.
Hintergrund:
Im März 2018 hat das Landeskabinett beschlossen, im Zuge des Klima- und Umweltschutzes die landeseigenen Stellplätze im Freien schrittweise in die Bewirtschaftung durch die Parkraumgesellschaft Baden-Württemberg mbH (PBW) zu überführen. Bis 2018 stellte das Land seinen Bediensteten und Universitätsangehörigen den Großteil der gut 57.000 Stellplätze im Land entgeltfrei zur Verfügung. Seit der Umsetzung (Uni Hohenheim seit November 2020) wird ein Betrag von monatlich 25 Euro/Monat erhoben. Da Klimaschutz und Luftreinhaltung vor allem in den Verdichtungsräumen drängende Probleme sind, passt es für die Landesregierung nicht mehr in die Zeit, dass das Land Stellplätze kostenlos zur Verfügung stellt und damit Anreize setzt, mit dem Pkw zum Dienst zu fahren.
Weitere Information zum Beschluss des Landes, die Parkraumbewirtschaftung auszuweiten, finden Sie >> hier!.
Weitere Infos zu den einzelnen Umsetzungsphasen der Parkraumbewirtschaftung finden Sie >> hier!
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