Krieg und Frieden – Winfried Hermann https://www.winnehermann.de/2010 Mitglied des Deutschen Bundestages Fri, 25 Mar 2011 12:45:33 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.2.3 Nein zu AWACS heißt auch Nein zur Offensivstrategie in Afghanistan https://www.winnehermann.de/2010/nein-zu-awacs-heist-auch-nein-zur-offensivstrategie-in-afghanistan/ Fri, 25 Mar 2011 12:45:33 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=3242 Eine persönliche Erklärung zum Einsatz der AWACS-Flugzeuge der Bundeswehr von Christian Ströbele, Sylvia Kotting-Uhl, Winne Hermann, Memet Kilic, Uwe Kekeritz, Beate Müller-Gemmeke, Monika Lazar und Lisa Paus.

Erklärung zur Abstimmung gemäß § 31 BT zum Antrag der Bundesregierung

Beteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz von NATO-AWACS im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1943 (2010) vom 13. Oktober 2010 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Drucksache 17/5190)

Dem Antrag der Bundesregierung, Soldaten der Bundeswehr in AWACS-Flugzeugen der NATO in Afghanistan einzusetzen, stimmen wir nicht zu.

Wir haben im Januar 2011 die Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr im Rahmen des ISAF-Mandats in Afghanistan abgelehnt. Die neue Kriegsführung mit Großoffensiven und gezielten Tötungen fordert immer mehr Opfer in der Bevölkerung, schürt zusätzlich Hass, ist falsch und nicht zu verantworten. Einer Unterstützung der von ISAF geführten Bodenkräfte durch Bundeswehrsoldaten in AWACS-Flugzeugen können wir deshalb nicht zustimmen. Wir lehnen den heutigen Antrag ab.

Die Bundesregierung betont in ihrem Antrag, dass die NATO-AWACS „Aufgaben zur Unterstützung bei der Durchführung von Operationen ISAF-geführter Bodenkräfte übernehmen sollen“. Die AWACS-Flugzeuge unterstützen nach der Formulierung in dem Antrag „die ISAF-Operationsführung“. Durch ihren Einsatz „wird die Implementierung der neuen ISAF-Strategie unterstützt, die aufbauend auf dem Konzept des Partnering eine stärkere Präsenz in der Fläche vorsieht.“ Gerade hinter diesem Konzept verbirgt sich die neue Offensivstrategie. Die AWACS-Flugzeuge mit deutschen Soldaten als Besatzung unterstützen Bodentruppen, auch in Gefechtssituationen, durch Luftunterstützungsoperationen. Gerade diese Luftunterstützung aber führt immer wieder zu schwersten Opfern in der Zivilbevölkerung, wie am 4. September 2009 in der Nähe von Kunduz. Das können wir nicht wollen.

Für diese primär militärischen Ziele der AWACS spricht auch, dass zur Begründung des Abzuges der seit April 2007 in Afghanistan eingesetzten Aufklärungs-Tornados im November 2010 angegeben wurde, deren Aufgaben könnten zum Teil durch AWACS übernommen werden.

Der Einsatz von AWACS-Flugzeugen soll auch der Verbesserung der Sicherheit der zivilen Flugzeuge in Afghanistan dienen, die bisher nach Sichtflugregelungen fliegen. Zur Erreichung dieses Zieles ist der weitere Ausbau des zivilen Flugleitsystems besser geeignet und angemessener. Eine vollständige moderne zivile Flugsicherung hätte längst installiert sein können und müssen. Bereits im Juli 2009 hatte die Bundesregierung eine solche Installierung in Afghanistan angekündigt und in Aussicht gestellt. In einem Jahr hätte ein solches System in ganz Afghanistan gebaut und in Betrieb gehen können. Frankreich hatte sich bereiterklärt, ein Flugleitsystem für 500 Mio. US-Dollar zu bauen. Andere NATO-Staaten, darunter Deutschland, wollten zu geringeren Kosten liefern. Afghanische Kräfte werden bereits für die zivile Flugsicherung geschult. Vorübergehend könnten für eine zivile Luftraumüberwachung auch ausländische zivile Fachkräfte hinzugezogen werden. Eine mögliche zivile Flugsicherung zu installieren ist die Alternative zur vorgeschlagenen Flugsicherung durch militärische AWACS-Flugzeuge. Das wäre zum dauerhaften Nutzen für ein ziviles Afghanistan. Dafür aber fehlen das Geld und der Wille.


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Persönliche Erklärung zur Abstimmung über das Afghanistan-Mandat https://www.winnehermann.de/2010/personliche-erklarung-zur-abstimmung-uber-das-afghanistan-mandat/ Fri, 28 Jan 2011 11:15:40 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=2837 [See image gallery at www.winnehermann.de] Persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1943 (2010) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (BT-DRS: 17/4402)

Persönliche Erklärung

Abgeordneter Hans-Christian Ströbele

Abgeordneter Winfried Hermann

Abgeordnete Monika Lazar

Wir lehnen eine erneute Verlängerung des ISAF-Mandats der Bundeswehr ab. Vor einem Jahr weigerte sich die Bundesregierung, in Afghanistan von „Kriegseinsätzen“ der Bundeswehr zu sprechen. Inzwischen reden alle von „Krieg“, sogar die Kanzlerin. Das ehemals defensive ISAF-Mandat  für den Schutz der  Regierung und Verwaltung in Kabul und mit dem Auftrag, Waffen nur einzusetzen zum Schutz der Bevölkerung oder zum Eigenschutz in der konkreten Situation, ist von NATO und Bundesregierung  pervertiert worden in ein Mandat zum Krieg. Ein Krieg mit immer mehr Soldaten und mit immer mehr Opfern. Unter diesem Mandat wurden im letzten Jahr mehr Menschen getötet und verletzt als jemals zuvor unter dem Kampfmandat enduring freedom. Über 10.000 Zivilisten, Polizisten, Staatsangestellte, Soldaten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen haben ihr Leben verloren.

Die Zahl der NATO-Soldaten wurde um mehr als 30 Prozent auf ca. 140.000 erhöht, die der deutschen auf 5.350 aufgestockt. Die neue Strategie heißt „partnering“: Unter dieser Tarnbezeichnung zieht die NATO Seit an Seit mit Afghanen in Kampfeinsätze, zuweilen auch ohne diese. Großoffensiven in Helmand sowie im Norden, wo die Bundeswehr die Verantwortung trägt, dauern an und sind für Kandahar weiter geplant. Die US-Streitkräfte verstärken den Offensivkrieg im Rahmen der „Counter Insurgency“ durch extralegale Hinrichtungen in nie gekanntem Ausmaß. Hunderte von Zielpersonen werden Opfer von Kommandooperationen. Immer mehr unbemannte Drohnen werden in Afghanistan und im angrenzenden Pakistan eingesetzt. Die USA verweigern jede nähere Auskunft zu diesen Operationen. Aber nach Medienberichten soll nur etwa ein Drittel der Getöteten zu den Aufständischen gehört haben. Laut der New York Times gab es 2010 sechsmal mehr solcher Kommando-Operationen. Auch die Bundeswehr unterstützt dies, indem sie Zielpersonen für die Targeting-Listen von ISAF bzw. NATO benennt und nimmt so billigend in Kauf, dass die Gelisteten Opfer von extralegalen Tötungen werden.

Diese Geheimoperationen schüren zusätzlich Hass und Rachegefühle unter der afghanischen Bevölkerung. Sie treiben den Aufständischen immer mehr Kämpfer zu. Sie verhindern Verhandlungslösungen, denn wie soll mit denen verhandelt werden, die  von Drohnen gejagt und getötet werden?

Die Bundesregierung stellt zwar eine Verbesserung der Sicherheitslage fest und gibt sich zuversichtlich. Stattdessen wird die militärische Lage jedes Jahr dramatisch schlechter. So werden trotz Großoffensiven aus der Provinz Helmand ein Jahr später schwerste Verluste der NATO gemeldet. Im letzten Monat starben 25 alliierte Soldaten, meist aus den USA. Der UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan von 2008 bis 2010, Kai Eide, stellte fest, dass  aus der „clear – hold –build“-Strategie eine „clear and again clear“-Übung geworden ist. Das heißt: Die Regionen werden nicht gehalten oder gar aufbaut, sondern immer wieder gesäubert. In Marja wurde im Februar 2010 eine NATO-Offensive gestartet, die in drei Monaten erfolgreich beendet werden sollte. Heute steht fest, sie ist gescheitert.

Die deutschen Soldaten können die befestigten Militärlager nur in gepanzerten Wagen und in Konvois für Kampfeinsätze oder Patrouillenfahrten verlassen. Das Ansehen der Deutschen in Afghanistan sinkt rapide, und auch die Bundeswehr wird immer mehr als Besatzer wahrgenommen. Deutsche Hilfsorganisationen meiden deshalb die Nähe zum Militär. Deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlassen die sicheren Orte möglichst nur noch in besonders gesicherten Fahrzeugen.

Weiter werden 90 Prozent des Opiums in Afghanistan angebaut, ein immer größerer Teil davon schon im Land zu Heroin „veredelt“ und exportiert. Afghanistan ist auch zum größten Exporteur von Cannabis geworden. So sichern sich Warlords und ehemalige Kriegsfürsten ihre Macht und tragen zur weiteren Destabilisierung des Landes bei.

Die Fortsetzung des Krieges ein, vier oder mehr Jahre ist unverantwortlich. Es spricht nichts für die Zuversicht der Bundesregierung, dass die Sicherheitslage nächstes Jahr besser und in vier Jahren gut ist. Es spricht vieles dagegen, vor allem die Erfahrung der Verschlechterung der letzten Jahre.  Jedes weitere Jahr Krieg kann weiteren zehntausend Mensch das Leben kosten.  Und was ist, wenn auch in vier Jahren die Sicherheitslage den Abzug nicht zulässt? Dann sind aber Zehntausende zusätzlich getötet und verletzt worden.

Wir fordern von der Bundesregierung einen wirklichen Strategiewechsel. Dazu muss die Bundeswehr unverzüglich alle militärischen Offensivoperationen und die Beteiligung an Kommandounternehmen stoppen. Sie muss sich auf Notwehr und Nothilfe beschränken. Die Bundesregierung muss zunächst die afghanische Regierung zu Waffenstillstandsvereinbarungen mit allen Aufständischen bewegen, die dazu bereit sind. Solche gab es immer wieder örtlich und regional. Auch die nationale Friedens-Jirga hatte sich bereits im Jahr 2009 bereit erklärt, die Gespräche mit Kommandeuren der Aufständischen in der Provinz Kunduz jederzeit wieder aufzunehmen. Die Verhandlungen zwischen der Regionalverwaltung und den Aufständischen muss unter Beteiligung von VertreterInnen der Zivilgesellschaft über die Zukunft dieser Region und des gesamten Landes geführt werden. Ziel sind Vereinbarungen zur Einhaltung der Menschenrechte und der afghanischen Verfassung, zu verstärkten Aufbauhilfen sowie zum raschen Abzug der Bundeswehr. Alle Finanzmittel, die durch die Einstellung der militärischen Operationen und Reduzierung des Militärs frei werden, werden der Bevölkerung bzw. dort aktiven Nichtregierungsorganisationen (NRO) unter internationaler Aufsicht für den Aufbau zur Verfügung gestellt.

Gleichzeitig muss sich die Bundesregierung bei den NATO-Partnern und in der UNO dafür einsetzen, dass alle militärischen Offensivoperationen, insbesondere die Drohnenangriffe, in Afghanistan sofort eingestellt und Waffenstillstandsvereinbarungen überall regional, in Provinzen und möglichst landesweit mit den Aufständischen und unter Beteiligung der Bevölkerung sowie der Nachbarstaaten für einen raschen Abzug des Militärs getroffen werden. Der von uns geforderte wirkliche Strategiewechsel sowie Bemühungen um ein Ende der Gewalteskalation sind nicht erkennbar. Immer weiter Krieg zu führen macht keinen Sinn. Deutschland und die NATO müssen wenigstens versuchen, neue Wege zu gehen, da die bisherigen in die Irre geführt haben.

Die Bundeswehr darf keine Unterstützung für gezielte Tötungen und offensive Aufstandsbekämpfung leisten. Das gilt für Afghanistan genauso wie für Pakistan. Die Bundesregierung muss sich für Deeskalation und Waffenstillstände einsetzen, um den Krieg unverzüglich zu beenden.


Die namentliche Abstimmung… hier

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Persönliche Erklärung zur namentlichen ISAF-Abstimmung (Afghanistan) https://www.winnehermann.de/2010/personliche-erklarung-zur-namentlichen-isaf-abstimmung/ Fri, 26 Feb 2010 11:19:38 +0000 http://www.winnehermann.de/2010/?p=667 Persönliche Erklärung zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1890 (2009) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (BT-DRS: 17/654)

Persönliche Erklärung der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Lisa Paus, Memet Kilic, Dr. Harald Terpe, Dorothea Steiner, Sylvia Kotting-Uhl, Winne Hermann, Monika Lazar

Das neue Mandat für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ist trotz gegenteiliger Ankündigung der Bundesregierung weitgehend das alte, das wir im Dezember 2009 abgelehnt haben, allerdings mit einer Truppenaufstockung von fast 20 Prozent.

Seit mehr als acht Jahren sind die deutschen Soldaten mit diesem Mandat in Afghanistan.

Aber trotz der ständigen Erhöhung der Truppenstärke ist die Sicherheitslage in den letzten Jahren nicht besser, sondern dramatisch schlechter geworden. Die Zahl der deutschen Soldaten mit ISAF-Mandat wurde inzwischen fast verzehnfacht. Trotzdem können die Soldaten etwa das Feldlager Kunduz nicht oder nur in Konvois mit gepanzerten Fahrzeugen verlassen. Ein normaler Kontakt zur Bevölkerung ist kaum möglich.

In keinem Jahr zuvor wurden so viele Menschen in diesem Krieg getötet oder verletzt wie 2009, vor allem immer mehr Zivilisten.

Die Antwort von NATO und Bundesregierung auf die desolate Sicherheitslage ist: mehr Soldaten, mehr Offensiveinsätze, mehr Krieg. Wie nie zuvor seit Kriegsbeginn wird die Gesamtzahl der Soldaten um fast 40 000, und die der deutschen um 850 erhöht. Gleichzeitig beginnt die größte Militäroffensive seit 2001 im Süden des Landes. Der militärische Konflikt wird verschärft, nicht beendet, die Offensivstrategie erweitert, nicht gestoppt und die Anzahl der getöteten Menschen droht weiter anzusteigen. In diesem Jahr wurden schon wieder mehr als 600 Zivilpersonen durch Bombardierungen der NATO getötet.

Ursprünglich sollte das deutsche ISAF-Mandat, anders als das für OEF, auf Eigensicherung und Schutz der Bevölkerung beschränkt sein. Spätestens seit der Bombardierung der Tanklastwagen und Menschenmenge auf deutschen Befehl am 4. 9. 2009 nahe Kunduz wissen wir, dass die Bundeswehr an Offensiveinsätzen und der tödlichen Jagd auf Aufständische beteiligt ist. Sehenden Auges wurden über einhundert Menschen getötet, darunter viele Zivilpersonen und Kinder. Das defensive Mandat gibt es faktisch nicht mehr.

OEF- und ISAF-Mandat sind in der Praxis nicht zu unterscheiden. Derselbe General ist der Kommandeur für beide. Ohne Rücksicht auf das jeweilige Mandat werden die Soldaten eingesetzt, auch die der Bundeswehr. Aber die gezielte Vernichtung von Menschen, selbst dann wenn sie für Aufständische gehalten werden, sieht das ISAF-Mandat nicht vor. Es berechtigt zum Einsatz von militärischer Gewalt nur in Notsituationen zur Nothilfe oder Notwehr.

Die Bundesregierung weigert sich aber bis heute, verbindlich zu erklären, dass sie die Bombardierung vom 4.9. 2009 und überhaupt Einsätze mit dem Ziel der Vernichtung von Menschen ohne Notsituation vom ISAF-Mandat als nicht gedeckt ansieht. Sie stellt gegenüber der Truppe nichts klar. Weitere solche Einsätze will die Bundesregierung also offensichtlich nicht ausschließen.

In der Begründung des Antrages verspricht die Bundesregierung, das zivile Engagement nahezu zu verdoppeln. Sie schließt sich den Plänen der US-Regierung ohne eigenes Friedens- und Ausstiegskonzept an, eine Übergabe der Verantwortung an die afghanische Regierung ab 2011 einzuleiten.

Pläne einer Abzugsstrategie sowie Bekenntnisse zu Versöhnung, Ausstiegsprogrammen und Verhandlungen mit den Aufständischen sind richtig aber unglaubwürdig, weil gleichzeitig die verhängnisvolle Offensivstrategie mit viel mehr Soldaten unversöhnlich fortgesetzt und intensiviert wird. Wie will man die, die man jagt, um sie auszuschalten, davon überzeugen, an den Verhandlungstisch zu kommen. Das passt nicht zusammen. Der Krieg wird verschärft, anstatt ihn zu beenden oder zumindest für einige Zeit auszusetzen, um den Verhandlungen eine Chance zu geben.

Jedes weitere Jahr werden tausende Menschen in diesem Krieg getötet und verletzt. Nach UN-Angaben wurden 2009 über 600 Zivilisten Opfer von NATO-Luftschlägen und mindestens 1.600 wurden durch Aufständische getötet. Das angeblich oberste Ziel der Vermeidung von zivilen Opfern wird immer wieder verfehlt. Seit Beginn der „Operation Mushtarak“ steigt deren Zahl wieder rapide. Neuer Hass wird geschürt und die Gewaltspirale dreht sich weiter.

Gerade auch im Norden, also im Verantwortungsbereich der Bundeswehr, werden US-Kampftruppen in einer Stärke eingesetzt, die erheblich größer ist als die der Bundeswehrsoldaten (ca. 5.000). Mit den zusätzlichen US-Soldaten wird die US-Einsatzstrategie des „Counter Insurgency“ einschließlich gezielter Tötungen in allen Provinzen die militärischen Operationen dominieren. Damit würde auch eine andere „deutsche Strategie“ konterkariert.

Der zivile Aufbau wurde jahrelang vernachlässigt. Trotzdem gibt es Erfolge bei der Strom-, Wasser- und Gesundheitsversorgung, beim Straßenbau, bei der Errichtung von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Es bleibt aber viel zu tun. Die Zivilgesellschaft muss mehr einbezogen werden, damit die internationale Hilfsgelder bei der Bevölkerung ankommen und Korruption zurückgedrängt wird. Der Aufbau einer zivilen Polizei für Friedenszeiten ist unzureichend. Es fehlt an Ausbildern aus Europa und Deutschland und an einem geeigneten Konzept. Angesichts der Zahl von 70 Prozent Analphabeten bei den Polizeibewerbern reichen acht Wochen Ausbildungszeit nicht aus.

Eine verantwortbare „Exit“-Strategie heißt nicht, Afghanistan im Stich zu lassen. Sicherheit für die Bevölkerung und ziviler Aufbau kann aber nachhaltig nicht erreicht werden mit mehr NATO-Soldaten und einer Strategie zur Vernichtung des Feindes. Bemühungen um ernsthafte Verhandlungen mit Allen unter Einbeziehung sämtlicher Nachbarstaaten sowie um Versöhnung sind der richtige Weg. Die Tür dafür scheint einen Spalt offen. Dieser Weg einer politischen Lösung muss gegangen werden. Alles, was dem im Weg steht und diese Bemühungen konterkariert, muss unterbleiben.

Daher fordern wir den Stopp der offensiven Kampfhandlungen und Bombenangriffe. Das Mandat, das mit mehr Soldaten die Eskalation des Krieges fördert, Verhandlungen erschwert und einer Abzugsperspektive entgegensteht, lehnen wir ab.

Hans-Christian Ströbele

Lisa Paus

Memet Kilic

Dr. Harald Terpe

Dorothea Steiner

Winfried Hermann

Sylvia Kotting-Uhl

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Winne Hermann unterzeichnet offenen Brief an Bischöfin Käßmann https://www.winnehermann.de/2010/winne-hermann-unterzeichnet-offenen-brief-an-bischofin-kasmann/ Mon, 11 Jan 2010 16:07:30 +0000 http://winnehermann.de/2010/?p=197 Liebe Bischöfin Käßmann,

mit diesem Brief möchten wir uns herzlich für Ihre Predigten zu Weihnachten und Neujahr bedanken!

Wir, Mitglieder und SympathisantInnen von Bündnis 90/Die Grünen, darunter viele Christinnen und Christen, fühlen uns berührt von Ihrem Appell an Hoffnung, Zuversicht und Mut in unserer Welt, in der jeden Tag die Würde und die Rechte von Menschen in drastischer Art und Weise verletzt werden.

In Ihren Predigten und den darauf folgenden Interviews haben Sie sich kritisch und deutlich zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan geäußert. An diesen Äußerungen wird seitdem harsche Kritik geübt. Dabei werden nicht nur die Inhalte Ihrer Aussagen unter Beschuss genommen. Einige Ihrer KritikerInnen geben Ihre Formulierungen in überzogen zugespitzter Form wieder. Ihnen wird unterstellt, Sie würden es sich zu einfach machen und zudem die Soldatinnen und Soldaten im Stich lassen. Ferner wird in Frage gestellt, ob Sie als Frau der Kirche überhaupt die Berechtigung haben, sich in dieser Deutlichkeit zu einer politischen Frage zu äußern. Banalität, Naivität und Mangel an Differenzierung wird Ihnen vorgeworfen, zu unserem Bedauern auch von einem Co-Vorsitzenden der Heinrich-Böll-Stiftung.

Wir lesen Ihre Predigten anders. Sie fordern die Politikerinnen und Politiker dazu auf, nicht darauf zu verzichten, nach Alternativen zur gewaltsamen Konfliktbewältigung zu suchen. Das ist das Gegenteil von einfach und banal. Nicht nur in Afghanistan, auch in vielen anderen Regionen dieser Welt werden Konflikte gewaltsam ausgetragen. Uns fehlen allzu oft schlüssige Konzepte, um diese mit friedlichen Mitteln zu bewältigen. Solche Lösungswege sind langwierig, kompliziert und unbequem. Dennoch ist es richtig, sie zu suchen und zu verfolgen.

Wer Gewaltlosigkeit als Strategie zur Konfliktlösung verächtlich macht, verleugnet die Geschichte der Menschheit, in der Großes immer wieder nicht durch Krieg und Gewalt, sondern durch Liebe und Gewaltlosigkeit geleistet und erreicht wurde.

US-Präsident Barack Obama sagte bei der Entgegennahme des Friedensnobelpreises 2009 in Oslo: „Dabei bin ich mir dessen bewusst, was Martin Luther King vor Jahren während derselben Zeremonie sagte: ‚Gewalt führt nicht zu dauerhaftem Frieden. Sie löst kein soziales Problem, sie erzeugt nur neue und kompliziertere.’ Als jemand, der als unmittelbare Konsequenz des Lebenswerks von Dr. King hier steht, bin ich der lebendige Beweis für die moralische Kraft von Gewaltlosigkeit. Ich weiß, dass die Überzeugung und das Leben von Gandhi und King nichts Schwaches, nichts Passives und nichts Naives hatten.“

Das sagt der US-Präsident, obwohl er zwei Kriege führt. Wenn selbst der oberste Befehlshaber der US-amerikanischen Truppen in Afghanistan an die Kraft der Gewaltlosigkeit glaubt, wie kann es dann „naiv“ sein, Alternativen zum Krieg einzufordern, damit auch die Gewalt in Afghanistan endlich ein Ende findet?

Wir sind auf der Suche nach diesen Alternativen. Wir glauben, dass jeder Mensch in seinem Innersten auf der Suche danach ist. Viele konkrete alternative Friedensstrategien sind schon ausgearbeitet worden; meist fehlt es am politischen Willen zu ihrer Umsetzung.

Wir finden uns nicht ab mit der Welt wie sie ist, sondern hoffen auf und wirken für eine bessere. Viele Christinnen und Christen finden Hoffnung in ihrem Glauben und setzen sich aus Nächstenliebe für andere ein. Dasselbe gilt für die AnhängerInnen anderer Religionen. Viele Menschen ohne konfessionelle Bindung praktizieren Solidarität als Konsequenz einer humanistischen Orientierung. Aber alle eint die Suche nach Wegen, wie wir die Gewalt, die Unterdrückung und den Hass in dieser Welt überwinden können. Mit Hoffnung, Mut und Zuversicht.

Wir möchten Ihnen gerade angesichts der überzogenen Kritik Mut machen, sich auch in Zukunft deutlich zu gesellschaftlichen und politischen Fragen zu äußern.

Wir wünschen uns Kirche, die auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes zivile Opfer in Afghanistan genauso hoch bewertet wie Terroropfer im Westen. Wir wünschen uns Kirche, die Volkskirche nicht damit verwechselt, der Mehrheit oder den Mächtigen nach dem Munde zu reden, wenn sie ethische Maßstäbe verletzen. Wir wünschen uns Kirche, die deutlich hörbar ist, wenn Menschenwürde verletzt, Frieden bedroht und Natur zerstört wird. Mit Ihrer Biographie und Ihren klaren Worten zu Afghanistan haben Sie uns Hoffnung gemacht, dass Sie Ihr Amt als Ratsvorsitzende der EKD in diesem Sinne begreifen. Bitte wissen Sie uns dabei an Ihrer Seite.

Mit herzlichen und hochachtungsvollen Grüßen,

Arvid Bell, grüner Parteirat

Agnieszka Malczak MdB, Abrüstungspolitische Sprecherin

Sven Giegold MdEP, Mitglied der Präsidialversammlung DEKT

Felix Pahl, Sprecher Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und Internationales

Christian Brugger, Kreisverband Tübingen

Jan Philipp Albrecht MdEP

Katja Dörner MdB

Winfried Hermann MdB

Anton Hofreiter MdB

Thilo Hoppe MdB, stellv. Vorsitzender des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung; stellv. Mitglied der Synode der EKD

Uwe Kekeritz MdB, Sprecher für Gesundheit in Entwicklungsländern

Katja Keul MdB, Parlamentarische Geschäftsführerin

Sven-Christian Kindler MdB

Maria Klein-Schmeink MdB

Sylvia Kotting-Uhl MdB, Atompolitische Sprecherin

Agnes Krumwiede MdB, Kulturpolitische Sprecherin

Monika Lazar MdB, Sprecherin für Frauenpolitik & für Strategien gegen Rechtsextremismus

Beate Müller-Gemmeke MdB, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte

Friedrich Ostendorff MdB, Agrarpolitischer Sprecher

Lisa Paus MdB

Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn MdB, Rentenpoltischer Sprecher

Viola von Cramon MdB, Sprecherin für Auswärtige Beziehungen der EU

Astrid Rothe-Beinlich, Mitglied des Bundesvorstands, Vizepräsidentin des Thüringer Landtags

Christoph Erdmenger, Landesvorsitzender Sachsen-Anhalt

Daniel Köbler, Landesvorstandssprecher Rheinland-Pfalz

Chris Kühn, Landesvorsitzender Baden-Württemberg

Daniela Schneckenburger, Landesvorsitzende Nordrhein-Westfalen

Birte Gäth, Sprecherin Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden und Internationales

Sybille Mattfeldt-Kloth, Sprecherin Bundesarbeitsgemeinschaft Christinnen und Christen

Gesine Agena, Sprecherin Grüne Jugend

Karl Bär, Beisitzer Bundesvorstand der Grünen Jugend

Stefan Lange, Bundesschatzmeister Grüne Jugend

Maximilian Plenert, Beisitzer im Bundesvorstand der Grünen Jugend

Rasmus Andresen MdL, Schleswig-Holstein

Sigrid Beer MdL, NRW, Sprecherin für Bildungs-, Kirchenpolitik und Petitionen

Angela Dorn MdL, Hessen

Clara Herrmann MdA, Berlin

Helge Limburg MdL, Niedersachsen, rechtspolitischer Sprecher

Christian Meyer MdL, Niedersachsen

Stefan Ziller MdA, Berlin

Verena Schäffer, Sprecherin der Grünen Jugend NRW

Sven Lehmann, Landesvorstand NRW

Ines Eichmüller, Präsidium Bundesfrauenrat

Wilhelm Achelpöhler, KV Münster, Grüne Friedensinitiative

Peter Alberts, Kreisverband Münster

Dennis Bartel, Kreisverband Gelsenkirchen

Gerd Bertling, Kreisverband Münster

Marcus Blumtritt, Kreisverband Hannover

Erika Buntrock, Berlin-Marzahn

Ernst-Gottfried Buntrock, Ev. Pfarrer. i. R., Berlin-Marzahn

Uli Cremer, Grüne Friedensinitiative

Martina Denkner, Ortsverband Bad Driburg

Katharina Dröge, Kreisverband Köln

Ario Ebrahimpour Mirzaie, Landesverband Berlin

Gisela Falke, Ortsverband Bad Driburg

Herbert Falke, Sprecher Kreisverband Höxter, Pfarrer

Andreas Graichen, Kreisverband Traunstein

Sonja Grigat, Kreisverband Berlin-Pankow

Kathrin Henneberger, Kreisverband Köln

Hasret Karacuban, Arbeitskreis Grüne MuslimInnen

Georg Kössler, Kreisverband Neukölln

Anne Levin, Dörverden

Dr. Claudia Levin, München

Editha Masberg, Berlin

Peter Meiwald, Kreisverband Ammerland, Parteirat Niedersachsen

Max Pichl, Kreisverband Mainz

Tim Rauschan, Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg

Anne Spiegel, Parteirat Rheinland-Pfalz

Jan Frederik Wienken, Landesfinanzrat Niedersachsen

Nils Wiechmann, Landesparteirat Rheinland-Pfalz

Klaus-Dieter Wilde, Kreisverband Bad Driburg

Martina Wilde, Presbyterin / Mitglied der Kreissynode – Kirchenkreis Paderborn, Bad Driburg

und weitere

siehe unter www.peacenow.eu . Ebenso kann dort mitunterzeichnet werden.

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NEIN zum Einsatz der Bundeswehr vor Somalia und im Indischen Ozean https://www.winnehermann.de/2010/nein-zum-einsatz-der-bundeswehr-vor-somalia-und-im-indischen-ozean/ Thu, 17 Dec 2009 14:47:16 +0000 http://winnehermann.de/2010/?p=131 Erklärung von Hans-Christian Ströbele, Sylvia Kotting-Uhl, Monika Lazar, Beate Müller-Gemmeke und Winfried Hermann zur Abstimmung über die Verlängerung des Einsatzes der Bundeswehr vor Somalia und im Indischen Ozean (ATALANTA-Mission)

ZUM ANTRAG DER BUNDESREGIERUNG: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias auf Grundlage des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 und der Resolutionen 1814 (2008) vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom 2. Juni 2008, 1838 (2008) vom 7. Oktober 2008, 1846 (2008) vom 2. Dezember 2008, 1897 (2009) vom 30. November 2009 und nachfolgender Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen in Verbindung mit der Gemeinsamen Aktion 2008/851/GASP des Rates der Europäischen Union vom 10. November 2008 und dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates der Europäischen Union vom 8. Dezember 2009 (BT-Drs. 17/179)

Wir lehnen den Antrag der Bundesregierung, weiter Marinesoldaten der Bundeswehr vor der Küste Somalias und im Indischen Ozean einzusetzen, ab.

Die Bundeswehr existiert zur Verteidigung. So steht es im Grundgesetz. Sie ist nicht dafür da, polizeiliche Aufgaben im Ausland zu übernehmen und Straftaten zu verfolgen oder zu verhindern, auch nicht zum Schutz der Handelswege im Indischen Ozean. Dafür sind die Soldaten auch nicht ausgebildet.

Insbesondere fehlen ihnen die notwendigen Kenntnisse und rechtlichen Voraussetzungen, vor allem zur Festnahme von Piraterie-verdächtigen Personen. So bewegen sich die Soldaten bei deren Aufspüren und Festhalten über Tage oder möglicherweise Wochen sowie bei deren Übergabe an Behörden anderer Staaten am Rande der Legalität.

Der Einsatz der Bundeswehr stellt nicht das allerletzte Mittel bzw. die äußerste Notmaßnahme zur Verhinderung und Aufklärung von Überfällen durch Piraten dar. Denn andere Möglichkeiten wurden gar nicht erst versucht. Die Ursachen der steigenden Zahl von Überfällen und Entführungen von Schiffen der christlichen Seefahrt sowie der Erpressung von Reedern wurden nicht untersucht und schon gar nicht beseitigt. Auch auf eine langfristige Stabilisierung Somalias wurde bisher nur halbherzig hingearbeitet.

So hat die internationale Gemeinschaft etwa gegen das Leerfischen der ehemals fischreichen Gewässer vor der Küste Somalias durch europäische und japanische Fischfabriken nicht nur nichts unternommen, sondern dieses Treiben sogar durch Finanzmittel gefördert. Für die Zukunft ist im aktuellen Atalanta-Beschluss der EU gar vorgesehen, diese Industrieschiffe aus Europa und deren Fischraub sogar noch durch die Bundesmarine und deren Verbündete zu schützen.

Der Einsatz der internationalen Armada von mehreren Dutzend großer Kriegsschiffe im Indischen Ozean ist auch ineffektiv. Seit Beginn der OEF- und Atalanta-Einsätze ist die Anzahl der Kaperungen und Angriffe auf Handels- und Passagierschiffe nicht zurückgegangen, sondern rapide angestiegen. Laut internationaler Seefahrtsbehörde gab es allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres 150 Angriffe durch Piraten, mehr als doppelt so viel wie im gesamten Vorjahr.

Die zur Abstimmung stehende Verlängerung des Einsatzmandats weitet das Einsatzgebiet der internationalen Militärflotten noch weiter aus als bisher. Es soll nun über 5 Millionen Quadratkilometer umfassen. Sollten die Flotten anfangs nur in der Region vor der Küste Somalias eingesetzt werden, so gehören nach der nun zur Abstimmung stehenden Erweiterung des Mandats inzwischen auch weite Teile des Indischen Ozeans zum Operationsgebiet. Es werden sogar Flottenstützpunkte Hunderte von Meilen entfernt eingerichtet, wie auf den Seychellen.

Der Militäreinsatz gegen Piraten wird also immer weiter sowie länger ausgedehnt und droht zu einem Dauereinsatz im Indischen Ozean zu werden. Eine Eskalation und Ausweitung auf das Festland in Somalia ist zu befürchten.

Die Kosten des Einsatzes dieser Militärflotten sind um ein Vielfaches höher als alle Schäden, die durch die Piraterie angerichtet wurden. Mit einem Bruchteil der für Soldaten und Kriegsschiffe problemlos zur Verfügung gestellten vielen Hundert Millionen Euro (allein Deutschland zahlt jährlich knapp 50 Millionen) hätte man einen großen Teil der somalischen Bevölkerung mit Nahrungsmitteln versorgen und die wirtschaftliche Entwicklung heraus aus Elend und Arbeitslosigkeit vorantreiben können. Anstelle der Verlängerung des Atalanta-Mandats könnte jetzt noch mit gezielter wirtschaftlicher Entwicklungshilfe dem Land geholfen und die Piraterie wirkungsvoller eingedämmt werden.

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Abstimmung im Bundestag zum Afghanistaneinsatz https://www.winnehermann.de/2010/abstimmung-im-bundestag-zum-afghanistaneinsatz/ Thu, 03 Dec 2009 09:49:39 +0000 http://winnehermann.de/2010/?p=36

Erklärung zur Abstimmung nach § 31 GO

der Abgeordneten Hans-Christian Ströbele, Sylvia Kotting-Uhl, Memet Kilic, Uwe Kekeritz, Winfried Hermann und weitere Abgeordnete

Zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan (International Security Assistance Force, ISAF) unter Führung der NATO auf Grundlage der Resolution 1386 (2001) und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution 1890 (2009) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen

(BT-DRS: 17/39)

Wir lehnen den Antrag der Bundesregierung auf Fortsetzung des Einsatzes der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan im Rahmen von ISAF ab. Dieser Einsatz ist falsch und nicht zu verantworten.

Das beantragte Mandat zieht keine Konsequenzen aus den bisherigen Erfahrungen. Es will eine unveränderte Fortsetzung des Militäreinsatzes für ein weiteres Jahr. Die Mittel dafür werden ohne überzeugende Begründung um 230 Millionen Euro erhöht. Die Ergebnisse der Afghanistankonferenz 2010 werden erst gar nicht abgewartet. Ein Strategiewechsel, weg vom militärischen Ansatz hin zum verstärkten, dezentralen zivilen Aufbau ist weder im Mandat noch in der Politik der Bundesregierung und der NATO erkennbar. Eine verantwortbare Abzugsperspektive wird nicht eröffnet.

Wir befürchten, gerade angesichts der massiven Aufstockung der US-Truppen um weitre 30.000 SoldatInnen, eine Fortsetzung und Intensivierung der kriegerischen Auseinandersetzungen. Wir befürchten zahlreiche weitere zivile und militärische Opfer. Der Frieden, der zivile Aufbau und eine nachhaltige Entwicklung rücken in weite Ferne. Genau diese friedliche Perspektive wollen wir aber eröffnen.

Seit Oktober vergangenen Jahres hat der Einsatz der Bundeswehr nicht mehr Sicherheit für die Bevölkerung im Norden Afghanistans gebracht, sondern die Sicherheitslage hat sich erneut dramatisch verschlechtert.

Die Zahl der getöteten ZivilistInnen in Afghanistan stieg im ersten Halbjahr 2009 noch einmal auf ca. 1.500, d.h. 31% mehr als im Vorjahreszeitraum. Viele tausend Menschen wurden verletzt und verstümmelt.

Der angebliche Strategiewechsel, der dem Schutz der Bevölkerung absolute Priorität einräumt, ist nicht erkennbar. Bombardierungen der US-Luftwaffe sind keineswegs nur auf Nothilfe für NATO-Truppen in Gefahrensituationen eingeschränkt, sondern ein häufig genutztes Mittel zur Vernichtung des Feindes. Auch Bundeswehreinsätze im Rahmen von ISAF finden mit massiver Unterstützung durch US-Bomber und Drohnen statt. Auf Anforderung und Anweisung von SoldatInnen der Bundeswehr wurden Bomben und Raketen geworfen und zahlreiche ZivilistInnen getötet und verletzt wie in der Nähe von Kundus bei dem Angriff auf Tanklastwagen am 4. September. Hinzu kommen Offensiven der US- und afghanischen Truppen im Rahmen von OEF in Sichtweite der deutschen Bundeswehrstandorte wie zuletzt Anfang November in der Nähe von Gul Tepa, als ein abgeriegeltes Gebiet unter den Augen der Bundeswehr fünf Tage und fünf Nächte lang bombardiert und viele Menschen getötet wurden.

Mit einem solchen Vorgehen wird nicht wirksam gegen Terrorismus vorgegangen, sondern damit wird immer neuer Hass gesät und Terrorismus geschürt und gefördert.

Sogar General Stanley Mc Chrystal, der Kommandeur der ISAF-Truppen, hat auf diese Gewaltspirale hingewiesen: Töte man zwei von zehn Aufständischen, sehe man sich danach nicht acht sondern häufig 20 Rebellen gegenüber, da sich Brüder, Väter, Verwandte und Freunde dem Widerstand anschlössen.

Statt immer mehr Soldaten und mehr Krieg, wollen wir den Krieg in Afghanistan beenden in verantwortbarer Weise.

Daher müssen die offensiven Bomben- und Raketenangriffe aus Flugzeugen und Drohnen gestoppt werden, da sie fast immer auch unschuldige Zivilisten treffen.

Wir wollen nicht immer mehr militärische Gewalt sondern einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen.

Waffenstillstandsverhandlungen, die in der Vergangenheit immer wieder schon für Teilregionen zuweilen durchaus erfolgreich geführt wurden, und die Entwicklung einer verantwortbaren Exit-Strategie sind die Alternativen.

Verhandlungen darüber müssen aufgenommen werden bedingungslos mit allen in Afghanistan und in den Nachbarländern, die dazu bereit sind.

Auch für den zivilen Aufbau des Landes ist ein Ende der Kampfhandlungen und des Krieges die wichtigsten Voraussetzungen. Unter Kriegsbedingungen kommt der Einsatz ziviler Aufbauhelfer in vielen Regionen immer mehr zum Erliegen. So gibt es Meldungen, dass auch im Verantwortungsbereich der Bundeswehr etwa in Kundus Angehörige von Hilfsorganisationen immer weniger die besonders gesicherten Quartiere verlassen und die Bevölkerung unterstützen können. Staatliche deutsche Entwicklungsorganisationen müssen immer wieder ihre Mitarbeiter zurückrufen und zeitweise die Arbeit einstellen.

Die Vermischung von zivilem und militärischem Engagement liefert den Aufständischen Vorwände, auch die Arbeit der EntwicklungshelferInnen als feindliche Aktivitäten zu denunzieren.

Wenn der Krieg beendet wird, kann zumindest ein Teil der Gelder, die heute ohne weiteres und anscheinend unbegrenzt für Militäroperationen zur Verfügung stehen, sinnvoll und wirksam für den Aufbau umgewidmet werden. Damit werden die Köpfe und Herzen der Menschen gewonnen, nicht durch ständiges Eskalieren des Krieges.

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