Verkehrsminister Hermann im Interview über die Mühen auf dem Weg zum grün-schwarzen Bündnis

Minister-für-Verkehr-und-Infrastruktur-Winfried-HermannInterview mit der Schwäbischen Zeitung vom 13. Januar 2016: Fünf Jahre lang hat die CDU Verkehrsminister Winfried Hermann MdL bekämpft. Nun teilt er sich mit ihren Vertretern die Regierungsbank. Kara Ballarin hat Hermann gefragt, ob das funktionieren kann.

Schwäbische Zeitung: Herr Hermann, haben Sie daran geglaubt, dass Sie Verkehrsminister bleiben würden?

Verkehrsminister Hermann: Ich war guten Mutes, schließlich haben mir viele gesagt, dass ich gute Arbeit geleistet habe. Es war in den Verhandlungen aber lange eine Hängepartie. Die CDU wollte unbedingt das Verkehrsministerium.

Schwäbische Zeitung: Aus grünen Kreisen heißt es, dass Sie unverhandelbar waren.

Verkehrsminister Hermann: Deshalb nehme ich mein Amt wieder mit Freude und Demut an, aber nicht mit Triumph. Es hat uns harte Verhandlungen gekostet, dass die grüne Seite das Verkehrsministerium behalten durfte …

Schwäbische Zeitung: … in etwas abgespeckter Form. Raumordnung und Städtebau wandern ins Wirtschaftsministerium.

Verkehrsminister Hermann: Deshalb spüre ich nicht nur Freude. Allerdings haben wir auch mehr Kompetenzen für die Elektromobilität und die Logistik bekommen.

Schwäbische Zeitung: Fünf Jahre waren Sie der Lieblingsfeind der CDU. Hat das eigentlich Spaß gemacht?

Verkehrsminister Hermann: Auf Dauer ist es nicht schön, immer wieder ein aufgebautes Hassobjekt zu sein. Das hatte auch viel mit meiner Kritik an Stuttgart 21 zu tun. Darüber und über Straßenbau liefen während der zurückliegenden Legislaturperiode viele Debatten in der Verkehrspolitik.

Schwäbische Zeitung: Die CDU hat ihnen vorgeworfen, Straßenbau verhindert zu haben.

Verkehrsminister Hermann: Niemand hat so viele Straßen im Land vor allem saniert aber auch ausgebaut wie ich in den vergangenen fünf Jahren. In Teilen der Union wird das im Bund und auf kommunaler Ebene auch so wahrgenommen. Dagegen zeichnete die CDU im Landtag aus der Opposition heraus lange Zeit ein Zerrbild von meiner Arbeit.

Schwäbische Zeitung: Boten Sie als einziger Parteilinker einfach die beste Angriffsfläche?

Verkehrsminister Hermann: Da spielten auch viele Klischees eine Rolle. Ich bin vor fünf Jahren aus Berlin hierher gekommen mit dem Vorsatz: Ich will etwas bewegen. Wer das tut, eckt unweigerlich an. Die Grünen haben lange Zeit den Straßenbau und das Auto grundsätzlich kritisiert. In einem Land, in dem 70 bis 80 Prozent des Verkehrs über die Straße läuft, kann man aber nicht nur über ÖPNV und Fahrräder reden. Inzwischen geht es um mehr: Mobilität muss insgesamt umwelt- und klimaverträglicher als bisher organisiert werden, auch der Straßenverkehr. Es geht nicht darum, dass alle Rad fahren, sondern um die stärkere Nutzung von Verkehrsmitteln, die Klima, Umwelt und Ressourcen schonen. Dabei spielt auch die Nutzung moderner Technologie – Stichwort Digitalisierung – eine große Rolle. Es geht auch um einen zukunftsfähigen Individualverkehr und um ein anderes Verhältnis zum Auto. Um ein Auto zu fahren, muss man es nicht unbedingt besitzen.

Schwäbische Zeitung: Sie kennen zudem die Bedeutung der Autoindustrie fürs Land…

Verkehrsminister Hermann: Die Autobranche hat wie keine zweite Zugang zur Politik – nicht nur die Manager, auch die Betriebsräte schlagen sofort Alarm, wenn sie sich durch die Politik bedroht fühlen. Die Branche hat einen innovativen Kern, aber es gibt auch Vorstände, die nur auf die Rendite schauen. Mit den vielen innovativen Playern der Branche arbeite ich gerne zusammen, sitze ihnen aber nicht auf dem Schoß, Politik hat ein übergeordnetes Interesse. Ignorieren darf man die Autobranche und ihre Anliegen allerdings nicht. Das wäre nicht links, das wäre dumm.

Schwäbische Zeitung: Wie schwierig waren die Koalitionsverhandlungen zum Verkehr?

Verkehrsminister Hermann: Die Verhandlungen haben mich zu Beginn viel Contenance und Empathie gekostet, aber je länger wir verhandelt haben, desto gelöster wurde die Atmosphäre. Ich dachte, wir könnten von Anfang an den Wahlkampfmodus überwinden. Das ging erst im Laufe der Verhandlungen.

Schwäbische Zeitung: Warum waren die Verhandlungen so zäh?

Verkehrsminister Hermann: Es gab einige inhaltliche Differenzen, viele Konflikte resultierten auch aus Klischees. Die CDU wollte nicht einfach Grün-Rot fortgesetzt sehen. Dabei haben wir uns auf gute Ziele verständigt, nur die Wortwahl war oft schwierig. So wurde etwa aus der „Pionierregion nachhaltiger Mobilität“ des grün-roten Koalitionsvertrags nun die Bezeichnung „Wegbereiter nachhaltiger Mobilität“. Ein Schlüsselprojekt war für uns, im Stundentakt überall im Land mit öffentlichen Verkehrsmitteln hinzukommen, von 5 bis 24 Uhr – die sogenannte Mobilitätsgarantie. Nun orientieren wir uns an einem „Leitbild eines verlässlichen Mobilitätsangebots“ von „früh morgens bis spät abends“. Die CDU wollte dabei auch die Kommunen nicht übergehen.

Schwäbische Zeitung: Haben Sie bereits Details beschlossen, die nicht im Koalitionsvertrag zu lesen sind?

Verkehrsminister Hermann: Im Bereich Verkehr gibt es einige eher technische Nebenabsprachen. Das sind aber keine ganz neuen Dinge, es geht um Einzelheiten. Im Koalitionsvertrag steht etwa, dass wir Schülertickets fördern wollen. Die Erläuterung dazu ist nur, dass wir dafür kein zusätzliches Personal einstellen oder ein Programm auflegen wollen. Die obersten Verhandler hatten gesagt: Es kommen keine solchen Details in den Koalitionsvertrag.

Schwäbische Zeitung: Können Sie mit den Ergebnissen leben?

Verkehrsminister Hermann: Die Kompromisse sind nicht schlechter als vor fünf Jahren. Der Schwerpunkt beim Straßenbau bleibt auf Erhaltung und Sanierung. Ich bin zufrieden mit dem Text. Das hätte ich so nicht erwartet.

Schwäbische Zeitung: Wird das grün-schwarze Projekt fünf Jahre gut gehen?

Verkehrsminister Hermann: Ich bin überzeugt, dass diese Koalition nicht nur das Land, sondern auch die Mobilität modernisieren wird. Unser gemeinsames Ziel ist es, Baden-Württemberg vom Autoland zum zukunftsfähigen Mobilitätsland zu entwickeln.

Quelle: Schwäbische Zeitung/Kara Ballarin